"Kein Deal": Strache nimmt EU-Mandat nicht an

Heinz-Christian Strache
Heinz-Christian Strache(c) Clemens Fabry, Presse
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Der Ex-FPÖ-Parteichef wird nicht nach Brüssel gehen. Eine Rückkehr in die aktive Politik könne und solle erst erfolgen, nachdem die Hintergründe des Ibiza-Videos „weitestgehend aufgeklärt sind".

Heinz-Christian Strache nimmt das EU-Mandat, das ihm aufgrund von rund 45.000 Vorzugsstimmen zustehenden würde, nicht an. „In dem Bewusstsein um diese mir anvertraute Verantwortung habe ich in Anbetracht der konkreten Umstände nach reiflichen Überlegungen, langen Gesprächen mit meiner Frau und der Familie sowie eng vertrauten Wegbegleitern die Entscheidung getroffen, das EU-Mandat nicht anzunehmen", hält der Ex-Vizekanzler und im Zuge der „Ibiza-Affäre“ zurückgetretene FPÖ-Obmann am Montag in einer Aussendung fest.

Eine Rückkehr in die aktive Politik könne und solle erst erfolgen, nachdem die Hintergründe des umstrittenen Videos „weitestgehend aufgeklärt sind".

Weiters betonte der 50-Jährige: Die Entscheidung, nicht nach Brüssel zu gehen sei „kein Ergebnis politischen Kalküls und schon gar kein Deal, sondern schlicht eine von mir persönlich getroffene Entscheidung“. Zuletzt war gemunkelt worden, Strache würde auf das Mandat verzichten, damit seine Ehefrau Philippa auf dem dritten Platz der Wiener FPÖ-Landesliste bei der kommende Nationalratswahl kandidieren darf.

Hofer begrüßt Mandatsverzicht

Der designierte Bundesparteiobmann der FPÖ, Klubobmann Norbert Hofer, begrüßte Straches Mandatsverzicht am Montag umgehend. „Wir sind nach langen gemeinsamen Gesprächen zu einer positiven Entscheidung gelangt. Der Schritt, den Strache gesetzt hat, war richtig“, sagte Hofer.

Positiv äußerte sich der neue Parteichef auch über die Kandidatur von Philippa Strache. Sie habe sich im Bereich des Tierschutzes vor allem in der Bundeshauptstadt einen hervorragenden Namen erarbeitet, betonte er und wehrte sich gegen eine „Reduktion einer weiblichen Persönlichkeit auf die Verbindung zu ihrem Ehemann oder einem Verwandten".

Die Erklärung von Strache im Wortlaut:

Liebe Freunde,

vier Wochen sind vergangen, seit mich die Veröffentlichung eines illegalen Videomitschnittes aus dem Jahr 2017 zum Rücktritt von meinem Amt als Vizekanzler und als FPÖ-Bundesparteiobmann sowie zur Niederlegung meiner politischen Ämter veranlasst hat. Ich wollte der Fortsetzung einer bis dahin erfolgreichen Regierungskoalition nicht im Wege stehen und habe den schweren Schritt aus der operativen Politik getan, ohne mich bitten oder gar auffordern zu lassen. Sebastian Kurz hatte mir daraufhin die Fortsetzung der Regierungskoalition zugesagt. An diese Zusage hielt er sich leider nicht, kündigte enttäuschender Weise die Koalition einseitig auf und zahlte hierfür einen hohen Preis. Das Parlament sprach ihm das Misstrauen aus, er verlor sein Amt. Es war das erste Mal in der österreichischen Geschichte, dass ein Kanzler durch ein Misstrauensvotum abgewählt wurde.

Ich habe von Anfang an die Veröffentlichung des Videomitschnitts als politisches Attentat nicht nur auf meine Person und die FPÖ, sondern auch auf eine erfolgreich - wahrscheinlich zu erfolgreich - arbeitende Regierungskoalition bezeichnet. Dies nicht aus Mangel an Einsicht oder der Unfähigkeit zur Selbstreflektion, sondern aufgrund von fragwürdigen Merkmalen der "Video-Veröffentlichung", die auch den Medien und der Öffentlichkeit nicht entgangen sind:

Aus einem siebenstündigen Filmmaterial wurden lediglich rund sieben Minuten veröffentlicht! Selbst diese sieben Minuten bestehen aus völlig aus dem inhaltlichen Gesamtzusammenhang entrissenen Bruchstücken, ohne Wiedergabe der mir gestellten Fragen und ohne die Darstellung der gesamten Gesprächsverläufe und Ergänzungen sowie anderer Hintergründe. Meine vollständigen Aussagen wurden der Öffentlichkeit vorenthalten!

Bereits vor zwei Jahren - nämlich im Juli 2017 - wurde unter Einsatz von Lockvögeln dieser geheime illegale Videomitschnitt angefertigt, danach verzweifelt versucht, diesen für Millionenbeträge politischen Gegnern, Unternehmen und Medien anzubieten. Die Erstellung und Herstellung sollte trotz etwaiger weiterer Motive jedenfalls eines auch sein: Ein lukratives kriminelles Geschäft!

Gleichwohl wird verlogen behauptet, die Videoerstellung und –Veröffentlichung sei ein „zivilgesellschaftlich motiviertes Projekt“ gewesen bei dessen Erstellung „ausschließlich demokratiepolitische Überlegungen“ ausschlaggebend gewesen seien. Nicht nur, dass mit einer solchen Aussage der untaugliche Versuch unternommen wird, die Öffentlichkeit für dumm zu verkaufen, sie entlarvt sich auch als bloße Schutzbehauptung. Denn nicht ohne Grund halten sich die Auftraggeber, Hintermänner sowie Täter bis heute im Verborgenen, bekennen sich nicht zu ihrer Tat oder sind teilweise sogar auf der Flucht vor einer möglichen Einvernahme. Wovor fürchten sie sich, wenn sie sich nichts vorzuwerfen haben und der Gesellschaft gar einen so wesentlichen Dienst erwiesen haben wollen? Wieso haben sie die Öffentlichkeit nicht gleich im Sommer 2017 informiert, sondern sich zwei Jahre, bis kurz vor der EU-Wahl 2019 Zeit gelassen? Wieso wird der Öffentlichkeit ein völlig verzerrtes Bild präsentiert? Ein Bild, welches durch kriminelle Strukturen und viel kriminellen Aufwand erzeugt wurde.

Ich habe sämtliche denkbaren persönlichen Konsequenzen gezogen. Verantwortung übernehmen hieß daher vor vier Wochen für mich aber nicht nur der vorläufige Rückzug aus dem operativen politischen Tagesgeschäft, sondern auch das aktive Vorantreiben und Befördern einer vollständigen Aufklärung der Hintergründe dieses politischen Attentats. Denn es kann uns nicht egal sein zu erfahren, welche Kräfte nicht davor zurückschrecken, unter Einsatz nicht nur fragwürdiger, sondern krimineller Methoden die Regierung unseres Landes zu sabotieren. Egal unter welcher Führung und Beteiligung die Regierung steht, muss der politische Meinungskampf fair, im öffentlichen Diskurs, rechtsstaatlich und demokratisch erfolgen.

Mit einem Team aus Experten unterschiedlicher Fachrichtungen und professionellen Ermittlern ist es bereits gelungen, erste Erkenntnisse und Ermittlungsergebnisse zu erlangen. Die wirklich investigativen Medien, die auch an allen Hintergründen des Videos interessiert sind, sowie die Staatsanwaltschaften in Österreich und Deutschland arbeiten unter Hochdruck an der Aufklärung, die wir nach besten Kräften befördern. Auch die Politik kann nicht Ruhe geben, bevor eine vollständige Aufklärung erfolgt ist. Ich selbst werde es jedenfalls nicht tun.

Die gegenwärtige Zeit stellt mich vor große Herausforderungen. Herausforderungen und Krisen sind jedoch auch Chancen. Herausforderungen, an denen ich jedenfalls nicht zerbreche, sondern jeden Tag an Kraft gewinne. Das schaffe ich nicht allein. Mein Frau Philippa ist eine enorme, unentbehrliche Kraft an meiner Seite, zusammen mit meinen Kindern und der Familie. Von meinen langjährigen politischen Weggefährten und der Partei erfahre ich großen Rückhalt. Und von Euch, liebe Freunde, den Wählern und der Bevölkerung unseres Landes, erlebe ich täglich Zuspruch, der mich bestärkt, nicht aufzugeben, sondern weiter zu machen. Ihr seid unermüdlich! Herzlichen Dank!

Das Ergebnis der Europawahl hat auf beeindruckendste Weise gezeigt, dass das politische Attentat auf die Regierung dieses Landes, die FPÖ und meine Person womöglich nur ein Streifschuss war. Als unbestechliche Wähler habt Ihr Euch nicht manipulieren, nicht täuschen und auch nicht beirren lassen. Ihr habt verhindert, dass die Rechnung der politischen Attentäter und Saboteure aufgegangen ist und aufgehen wird. Dafür, für Euren Besonnenheit, Eure Unterstützung und die Treue, danke ich Euch aufrichtig und von ganzem Herzen.

Ich danke den 45.000 Bürgern dieses Landes, die mir - ohne Aufruf und ohne Werbung - durch Ihre persönliche Vorzugsstimme ein Direktmandat für das Europäische Parlament erteilt und mir damit direkt-demokratisch ihr uneingeschränktes Vertrauen ausgesprochen haben. Diese Bestätigung bedeutet mir sehr viel und ich bin mir auch hier - der mit diesem Mandat mir anvertrauten Verantwortung - voll und ganz bewusst.

Gerade in dem Bewusstsein um diese mir anvertraute Verantwortung habe ich in Anbetracht der konkreten Umstände nach reiflichen Überlegungen, langen Gesprächen mit meiner Frau und der Familie sowie eng vertrauten Wegbegleitern die Entscheidung getroffen, das EU-Mandat nicht anzunehmen. Damit schlage ich nicht Euer Vertrauen und Euren Auftrag aus, sondern tue das Richtige zum richtigen Zeitpunkt.

Diese Entscheidung ist kein Ergebnis politischen Kalküls und schon gar kein Deal, sondern schlicht eine von mir persönlich getroffene Entscheidung, die aus einem wesentlichen Grund erfolgt ist und erfolgen muss: Eine Rückkehr in die aktive Politik kann und soll erst erfolgen, nachdem die Hintergründe des Ibiza-Videos weitestgehend aufgeklärt sind. Das schulde ich meinen Wählern, den Bürgern dieses Landes, meiner Frau und meiner Familie und schließlich auch mir selbst. Allein auf der Grundlage einer umfassenden Aufklärung kann Österreich zum politischen Alltag zurückfinden und ich gestärkt aus einer bewältigten Krise hervor gehen und meine politischen Aufgaben für Euch und die Bürger unseres Landes in Zukunft wieder gestärkt wahrnehmen. Das ist mein Ziel.

Meine persönliche Präferenz galt nie Brüssel als Wirkstätte meiner politischen Arbeit sondern immer Österreich und meiner Heimatstadt Wien, wo ich im Interesse der österreichischen Bevölkerung aktiv politisch arbeiten und gestalten möchte.

Ich werde mich nicht zurückziehen, mich auch nicht verstecken. Im Gegenteil. Ich stelle mich vielmehr als einfaches Parteimitglied der FPÖ in den Dienst der vollständigen und schonungslosen Aufklärung und politisch unterstützend voll und ganz hinter den designierten Bundesobmann Norbert Hofer und sein Team. Die FPÖ läßt sich nicht spalten. Vielmehr steht die Parteifamilie enger zusammen denn je. Wir sind stark, wir bleiben stark und wir werden noch stärker.

Mein politisches Leben, dass sich stets auf Wien und Österreich fokussiert hat, ist mit Sicherheit nicht am Ende; das verspreche ich Euch in vollem Bewusstsein dessen, was ich Euch, meinen treuen Wählern, schulde. Konzentrierte, harte und zielorientierte Politik erfordert eine freien Kopf und eine saubere und reine Weste. Meine persönliche Rehabilitation muss daher zwingend meinen persönlichen politischen Ambitionen voranstehen. Dafür kämpfe ich und auch diesen Kampf werde ich gewinnen.

Ich bitte Euch daher um Euer Verständnis und Wohlwollen und danke Euch für Euer großes Vertrauen und Eure Unterstützung. Ich verspreche, dass ich Euch nicht enttäuschen und nicht im Stich lassen werde. Auf mich könnt Ihr Euch verlassen, so wie ich mich auf Euch verlassen kann.

Die Medien bitte ich um Verständnis, dass ich aus ermittlungstaktischen Gründen und auch aus Rücksicht auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen derzeit zu der laufenden Aufklärungsarbeit keine Interviews geben und keine Presseanfragen beantworten kann. Sobald sich unsere bisherigen Aufklärungsergebnisse erhärten und wir valide und frei von Spekulationen erlangte Erkenntnisse vorweisen können, werden diese veröffentlicht. Über diese - meine Facebookseite - werde ich Euch außerdem laufend politisch und aufklärend informiert halten.

Es gibt viel zu tun, aber es wird nicht umsonst sein. Ich danke Euch von ganzem Herzen und baue auch weiterhin auf euch!

Glück auf!

(Red. )

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