Armutskonferenz drängt auf Reform der Sozialhilfe-Reform

Martin Schenk, Armutskonferenz
Martin Schenk, Armutskonferenz (c) Clemens Fabry, Presse
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Hilfsorganisationen hoffen auf die Rücknahme der Kürzungen der Sozialhilfe für Kinder oder Behinderte - und auf eine Mindestsicherung, die "die Leute nicht weiter in den Abgrund treibt".

Die Armutskonferenz hofft, dass die neue Regierung die von Türkis-Blau vorgenommenen Kürzungen der Sozialhilfe für Kinder oder Behinderte zurücknimmt - und wieder eine Mindestsicherung etabliert, die Existenz sichert und "die Leute nicht weiter in den Abgrund treibt". Martin Schenk und Vertreter einiger Hilfsorganisationen zeigten Dienstag in einer Pressekonferenz auf, wo Handlungsbedarf besteht.

Eigentlich sähen sie schon die Übergangsregierung bzw. den Nationalrat im "freien Spiel der Kräfte" gefordert. Denn nach dem Bundesgesetz für die neue Sozialhilfe müssen bis Jahresende alle Bundesländer ihre Ausführungsgesetze beschließen. Der Bund hat ihnen in manchen Bereichen - z.B. Wohnzuschuss - Gestaltungsmöglichkeiten gelassen. Zumindest in Niederösterreich, das sein Gesetz bereits beschlossen hat, seien diese nicht genützt worden, stellte Christian Aigner (VertretungsNetz) fest.

So werde das Land keinen Wohnzuschuss (bis zu 30 Prozent wären möglich) gewähren, armutsgefährdete Niederösterreicher seien also vom Wohnungsverlust bedroht. Auch das große Problem der teilbetreuten Wohngemeinschaften behinderter Menschen - dass die Einkommen der Mitbewohner angerechnet werden - sei nicht gelöst worden.

Frank: "Die großen Würfe wird's später geben"

Eine Reform der Reform wäre aus Aigners Sicht also dringend geboten - aber mit der Neuwahl habe man ein Jahr verloren. Große Hoffnung, dass in der Übergangszeit eine Korrektur erfolgt, macht sich Karl Frank (Plattform "Sichtbar Werden") nicht: "Die großen Würfe wird's später geben", meinte er. Besonders wichtig wären aus Sicht der Hilfsorganisationen Maßnahmen für leistbares Wohnen, ein leistbarer Zugang zu Gesundheits- und Therapieleistungen sowie eine Kindergrundsicherung. Schenk wies darauf hin, dass der Sozialstaat nicht nur die Ärmsten, sondern vor allem auch die untere Mitte (also jene ohne Rücklagen) schütze, wenn sie von Krankheiten oder Arbeitslosigkeit getroffen werden.

Michael Felten (pro mente) kritisierte die für den neue Behindertenbonus nötigen regelmäßigen Untersuchungen: Sie stellten z.B. für psychisch Erkrankte ein großes Problem dar. Außerdem bekräftigte er die Forderung nach Psychotherapie auf Krankenschein.

Armutsbekämpfung müsse auch soziale Ausgrenzung - vor allem von Kindern - verhindern, stellte Gabriele Horak-Böck (Schuldnerberatung) fest. Deshalb verlangt sie, das (für Lohnpfändungen maßgebliche) "Existenzminimum" deutlich anzuheben. Derzeit bleiben einer Ein-Eltern-Ein-Kind-Familie 1.119 Euro pro Monat - weit weniger als die Armutsgefährdungsschwelle von 1.637 Euro. Und das "Referenzbudget" - das auch in gewissem Ausmaß soziale Teilhabe zulässt - liegt bei 2.214 Euro.

Doris Pettighofer (Plattform für Alleinerziehende) sieht z.B. bei der Härtefallregelung beim Kindergeld eine Gruppe Alleinerziehender diskriminiert, nämlich diejenigen, wo es "nur durch Trennung" - und nicht etwa durch Tod - dazu kam. Bei Maßnahmen zur Verhinderung von Armut müssten alle Lebensformen bedingungslos anerkannt werden. Finanzielle Sicherheit - unabhängig vom Aufenthaltsstatus - ist auch aus Sicht der Frauenhäuser äußert wichtig, um zu verhindern, dass Frau und Kind zum gewalttätigen Vater zurückkehren.

Grundsicherung "für alle Kinder"

Eine Grundsicherung "für alle Kinder" forderten Isabelle Steger (Bundesjugendvertretung) und Stephanie Schebesch-Ruf (Katholische Jungschar). Denn Kinder seien die am stärksten von Armut betroffene Gruppe: Jedes Fünfte lebe entweder in Armut oder sei davon bedroht.

(APA)

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