Bierlein, lieber auf Distanz zu Kurz

Ob sie Kontakt zu ihrem Vorgänger, Sebastian Kurz, habe? Weder persönlich noch telefonisch noch per SMS, sagte Kanzlerin Brigitte Bierlein bei ihrem ersten Hintergrundgespräch.
Ob sie Kontakt zu ihrem Vorgänger, Sebastian Kurz, habe? Weder persönlich noch telefonisch noch per SMS, sagte Kanzlerin Brigitte Bierlein bei ihrem ersten Hintergrundgespräch.(c) APA/GEORG HOCHMUTH
  • Drucken

Die Bundeskanzlerin lud zu ihrem ersten Pressegespräch. Dabei ging die Nichtpolitikerin (Bierlein) gleich einmal auf Distanz zu ihrem Vorgänger. Und trifft ihn jetzt doch.

Wien. Es war ihr erstes Hintergrundgespräch mit Chefredakteuren und Innenpolitikjournalisten. Und es verlief vermutlich anders als von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein und dem neuen Regierungssprecher geplant.

Eigentlich wollte Bierlein am Dienstag klarstellen, dass die Übergangsregierung verwalte und eben nicht gestalte. Dass diese auch keine Personalentscheidungen (etwa Sektionschefs) außer den terminlich notwendigen (EU-Kommissar) treffen werde. Dass keine Gesetzesvorlagen von der Regierung zu erwarten seien. Dass das laufende Budget fortgeschrieben würde. Doch dann wurde Brigitte Bierlein gefragt, ob sie Kontakt zu ihrem Vorgänger habe. „Nein“, antwortete sie. Weder persönlich noch telefonisch noch per SMS. Ob das nicht sehr ungewöhnlich sei in der aktuellen Situation, in der sie doch Kontakte zu allen Parteien pflege und suche? „Ich wollte nicht, dass wir die türkis-blaue Regierung einfach nur fortführen.“ Sagt Bierlein. Ob sie Angst habe, es könnte der Eindruck entstehen, sie stünde unter der Kuratel von Kurz? Ja, so würde sie das auch formulieren, so die Bundeskanzlerin. Und: „Ich denke mir, diese Regierung ist nicht mehr vorhanden.“

Unterstützung für Weber?

So erschließt sich auch ihre Entscheidung, Manfred Matzka, den pensionierten, einst mächtigen und gefürchteten SPÖ-Kanzleramtsbeamten, als Berater zu engagieren. Und das könnte auch Einfluss auf ihr Verhalten beim kommenden EU-Gipfel haben, bei dem es um die Bestellung der künftigen EWU-Führung geht.

Kurz hatte in einem Interview mit der „Presse am Sonntag“ gesagt, er gehe davon aus, dass Bierlein seinen deutschen Parteifreund Manfred Weber bei der Wahl zum Kommissionspräsidenten unterstützen werde. Bierlein: „Wovon mein Vorgänger ausgeht, will ich nicht kommentieren.“ Die Wahl des österreichischen EU-Kommissars will sie im Hauptausschuss des Nationalrats vor dem Gipfel klären. Dass die ÖVP als stimmenstärkste Partei automatisch Anspruch auf den EU-Kommissar hat, sei keineswegs zwingend.

Dass sie Peter Launsky-Tieffenthal als Regierungssprecher durch Alexander Winterstein ersetzt hat, begründet Bierlein ebenfalls mit Distanz zur Vorgängerregierung. Sie schätze Launsky-Tieffenthal außerordentlich, aber: „Er war das Gesicht der türkis-blauen Regierung, und das wollte ich vermeiden.“ Winterstein soll künftig die Medienbriefings nach dem Ministerrat leiten. Sie selbst will tagespolitische Umstände nicht kommentieren. Übergangs-Message-Control.

Vom Nationalrat überrascht

Wenig Freude hat sie mit der „Beschlusswut“ des Nationalrates in seiner jüngsten Sitzung: Die vielen Anträge hätten sie und die Regierung „überrascht“, so Bierlein. Ein Machtwort wegen des großzügigen Umgangs mit Steuergeld (100 Millionen Euro laut Finanzressort) hält sie noch nicht für notwendig. Sollte dies aber so weitergehen, könne sie sich ein abgestimmtes Vorgehen mit dem Bundespräsidenten und im Ministerrat vorstellen, meint die Bundeskanzlerin.

Nur wenige Stunden nach diesem ersten Aufeinandertreffen mit den Zeitungsjournalisten vermeldete die Austria Presse Agentur, dass Bierlein Kurz nun doch „bald“ treffen werde. Und dass es ein „konstruktives“ Verhältnis zum jungen Altkanzler gebe, so der Sprecher Bierleins. So schnell kann es gehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.