Warnung aus dem Innenministerium an Identitären-Chef? Justiz ermittelt

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SymbolbildDie Presse/Teresa Maier-Zötl
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Die Staatsanwaltschaft Wien prüft, ob Martin Sellner vor der Razzia im März 2019 gewarnt wurde. Herbert Kickls damaliger Generalsekretär, Peter Goldgruber, war schon vier Tage vor der Razzia von dieser informiert.

Wien/Graz. Gibt es einen Maulwurf im Innenressort? Wurde eine Hausdurchsuchung bei Martin Sellner, dem Sprecher der vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Identitären, tatsächlich im Vorfeld verraten? Vermutungen in diese Richtung gibt es schon länger. Nun wurde bestätigt, dass die Staatsanwaltschaft Wien wegen eines „denkmöglichen Verrats“ ermittelt.

Sellner geriet nach dem blutigen Anschlag im neuseeländischen Christchurch ins Visier der Behörden. Der rechtsradikale Attentäter Brenton Tarrant, der Mitte März dieses Jahres in zwei Moscheen 51 Menschen erschoss, hatte Anfang 2018 ein Spende, 1500 Euro, auf ein Sellner-Konto überwiesen. Dies fanden Behörden im Rahmen eines gegen Sellner laufenden Finanzstrafverfahrens heraus.

Ermittlungen wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung wurde eingeleitet. Sellner beteuerte nach dem Anschlag, er habe nicht wissen können, dass der Spender später zum Gewalttäter werden würde. Sellner und Tarrant hatten einander auch Mails geschrieben.

Löschung des Mailverkehrs

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) hatte Sellner jedenfalls einmal mehr auf dem Radar (erst im Juli 2018 war Sellner wegen anderen Anschuldigungen vor Gericht gestanden und von den Vorwürfen „Verhetzung“ und „Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung“ freigesprochen worden). Im Zuge der Terror-Erhebungen wollte dann die für Sellner zuständige Staatsanwaltschaft (StA) Graz eine Hausdurchsuchung (HD) bei dem Identitären-Anführer vornehmen. Das tat sie am 25. März dieses Jahres auch. Allerdings stellte sich später heraus, dass ungefähr 40 Minuten vor dieser Razzia der Mailverkehr zwischen Sellner und Tarrant aus dem Jahr 2018 von Sellners Computer gelöscht worden war.

Wurde Sellner also gewarnt? Kam die mögliche Warnung gar aus dem damals von FPÖ-Minister Herbert Kickl geführten Innenressort? Es sind eben Fragen wie diese, die seither kursieren. SPÖ, Neos und Jetzt haben Mitte Mai Anfragen an Innen- und Justizminister gestellt. Aus der Beantwortung der Neos-Anfrage durch Justizminister Clemens Jabloner ergibt sich, dass die Staatsanwaltschaft Wien tatsächlich seit 23. Mai wegen Amtsmissbrauchs und Verletzung des Amtsgeheimnisses ermittelt. Und zwar gegen unbekannte Täter. Operativ tätig ist das Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung (BAK). Diese Behörde forstet nun auch Akten der (an sich für Sellner zuständigen) Staatsanwaltschaft Graz durch.
Weiters ergibt sich aus den Beantwortungen, dass der damalige Generalsekretär im Innenressort, Peter Goldgruber, schon vier Tage vor der Razzia, nämlich am 21. März, über diese schriftlich informiert worden ist. Und zwar „wegen der zu erwartenden Medienberichterstattung“.

Zwischen der Anregung für die Hausdurchsuchung durch das BVT, der Ausfertigung des HD-Beschlusses durch die – mit der Polizei kooperierende – StA Graz, der formalen Genehmigung der HD durch einen Haft- und Rechtsschutzrichter und der eigentlichen Durchführung durch sieben BVT-Beamte verging fast eine Woche. Alle genannten Dienststellen hatten nach und nach Informationen zu dem beabsichtigten Vorgehen. Sollte es tatsächlich einen Verräter gegeben haben, ist also der Kreis der in Frage kommenden Verdächtigen groß.

Sellner selbst wurde zu der E-Mail-Löschung bereits einvernommen. Auch dies ergibt sich aus den Anfrage-Beantwortungen.
Was nun den Staatsanwalt ebenfalls interessieren dürfte: Aus einem polizeilichen Aktenvermerk geht hervor, dass die Beamten unmittelbar vor der HD an Sellners Tür läuteten, klopften und sich auch verbal bemerkbar machten– es vergingen ganze zwölf Minuten, ehe Sellner öffnete. Auf rasches, gewaltsames Eindringen war verzichtet worden.

(m. s.)

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