Zeuge der Anklage belastet Grasser

Ernste Mienen am 102. Verhandlungstag des Buwog-Prozesses im Wiener Landesgericht für Strafsachen: Ex-Lobbyist Peter Hochegger, Ex-FPÖ-Mann Walter Meischberger, Anwalt Norbert Wess und sein Mandant Karl-Heinz Grasser (von links).
Ernste Mienen am 102. Verhandlungstag des Buwog-Prozesses im Wiener Landesgericht für Strafsachen: Ex-Lobbyist Peter Hochegger, Ex-FPÖ-Mann Walter Meischberger, Anwalt Norbert Wess und sein Mandant Karl-Heinz Grasser (von links).APA/HERBERT NEUBAUER / APA-POOL
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Ein früherer Kabinettschef brachte Karl-Heinz Grasser und drei andere Angeklagte schwer unter Druck.

Wien. Manche Zeugen sind ein bisschen verschreckt. Wegen der großen Bühne, der Öffentlichkeit, der prominenten Angeklagten und so weiter. Man kann das verstehen. Andere wiederum reden freimütig drauflos. Zu diesem Typus zählt Willibald Berner. Zur Zeit der schwarz-blauen Schüssel-Regierung war er Kabinettschef im FPÖ-geführten Infrastrukturministerium. Am Mittwoch trat er erstmals in den Zeugenstand des Buwog-Prozesses. Und belastete Karl-Heinz Grasser schwer.

Nicht nur der frühere Finanzminister und nunmehrige Erstangeklagte, sondern auch drei weitere Beschuldigte, der einstige Lobbyist Peter Hochegger, der frühere Immobilienmakler Ernst Plech und der seinerzeitige FPÖ-Politiker und spätere Grasser-Berater (und Grasser-Trauzeuge) Walter Meischberger gerieten durch Berners Aussage unter Druck.

Dabei waren die Angaben des Zeugen nicht neu. Im Gegenteil: Sie sind ein Jahrzehnt alt. Die Anklage des Buwog-Prozesses baut zu einem wesentlichen Teil auf Berners Enthüllung auf. Aber: Wenn der Mann, der den Ermittlern die (angebliche) Existenz eines illegalen Plans verraten hat, das bisher Gesagte erstmals live im Gerichtssaal vorträgt, ist eine neue Dimension erreicht. Dementsprechend groß war auch das Interesse der Prozessbeobachter.

„Der Herr Hochegger hat mir eine Skizze aufgezeichnet.“ So begann der brisante Teil der Berner-Einvernahme. Diese Skizze habe das beinhaltet, was die Korruptionsstaatsanwaltschaft später einen „Tatplan“ nennen sollte: Ein bestimmter Personenkreis, darunter Grasser, habe vorgehabt, bei Privatisierungen oder Auftragsvergaben des Bundes Provisionen zu kassieren. Zur Erinnerung: Der prozessgegenständliche Verkauf der Bundeswohnbaugesellschaften, darunter die Buwog, war eine ebensolche Privatisierung.

Berner: „Hochegger hat gesagt, dass es sich bei den Namen auf der Skizze um eine Freundesrunde handele. Und man solle die Gunst der Stunde nutzen und an Vergaben partizipieren.“ Weiter: „Es ging um Amtsgeschäfte. Es ist eine zwingende Anschauung, dass das von Hochegger vorgeschlagene Konstrukt von ,legal‘ relativ weit entfernt war.“

Mittels Liechtensteinischer Firmen hätten die einlangenden „Fees“ (gemeint: Provisionen) abgerechnet werden sollen. Laut der nunmehrigen Schilderung des Treffens mit Hochegger, das im Sommer oder Herbst 2000 im Hotel Imperial in Wien stattgefunden hatte, sollten folgende Personen profitieren: Grasser, Hochegger, Plech, Meischberger (diese zählen zur Angeklagten-Riege), ferner der damalige Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider (er starb 2008) sowie zwei von dessen Gefolgsleuten (darunter ein Industrieller). Und er, Berner, selbst. Er habe aber abgelehnt. Und Infrastrukturminister Michael Schmid von dem Treffen mit Hochegger erzählt. Auch Haider habe er informiert. Beide seien sofort auf Distanz gegangen.

Richterin Marion Hohenecker: „Wieso wurden Sie von Hochegger eingeweiht?“ Zeuge Berner: „Das müssen Sie ihn fragen, ich habe es für dumm gehalten.“ Die Richterin: „Er sagt, Sie seien ein politischer Fallensteller, es habe gar keine Skizze gegeben.“ Der Zeuge: „Dann lügt er.“ Die Richterin: „Er sagt, Sie lügen.“

Schließlich beteuerte Berner, er habe kein Motiv, Hochegger falsch zu belasten. Dazu muss man wissen: Hochegger bestreitet nicht alle Vorwürfe. Er ist der einzige der 14 Angeklagten, der ein Teilgeständnis abgelegt hat. Dass er damals im Imperial eine solche Skizze angefertigt habe, stimme aber nicht. Grasser und die anderen genannten Angeklagten weisen die Vorwürfe ebenfalls zurück.

Von der SPÖ zur FPÖ

Letztlich landete eine von Berner selbst angefertigte Skizze im Gerichtsakt. Diese habe er unmittelbar nach dem Gespräch gezeichnet. „Ich habe ein fotografisches Gedächtnis.“

Berners Vita ist interessant. Er arbeitete bis 1998 für die steirische SPÖ und wurde danach von FPÖ-Mann Michael Schmid ins Verkehrsministerium geholt. Mit einem anderen Belastungszeugen, dem Ex-Grasser-Mitarbeiter Michael Ramprecht, ist Berner gut bekannt. Derzeit ist der aus der Steiermark stammende Ex-Kabinettschef als Manager tätig – in einem Unternehmen, das Satellitenkommunikation entwickelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2019)

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