Ex-Staatsarchiv-Direktor nennt Schredder-Aktion ungesetzlich

Für Wolfgang Maderthaner, Ex-Generaldirektor des Staatsarchives, war das Vorgehen des ÖVP-Mitarbeiters gesetzeswidrig.
Für Wolfgang Maderthaner, Ex-Generaldirektor des Staatsarchives, war das Vorgehen des ÖVP-Mitarbeiters gesetzeswidrig.(c) Michaela Bruckberger, Presse
  • Drucken

Dass Parteien ihre Daten bei einem Regierungswechsel zerstören, sei nicht ungewöhnlich, aber ungesetzlich, sagt Wolfgang Maderthaner. Wenn das Staatsarchiv Unterlagen vernichte, wende es sich ans Kanzleramt und nicht an externe Firmen.

Dass ein Mitarbeiter der ÖVP, genauer gesagt der ehemalige Social-Media-Chef des Bundeskanzleramtes, fünf Druckerfestplatten mehrfach schreddern ließ, einen falschen Namen angab und die entsprechende Rechnung (zuerst) nicht beglichen hat, sorgt gleichsam für Verwunderung wie Empörung. Während Ex-Kanzler Sebastian Kurz sich bereits mehrfach um Beschwichtigung bemühte - der Mitarbeiter habe wohl „übervorsichtig“ gehandelt, aber grundsätzlich sei eine derartige Datenvernichtung bei einer Amtsübergabe „üblich“ - sieht der gerade erst pensionierte Generaldirektor des Staatsarchivs, Wolfgang Maderthaner, die Causa gänzlich anders. Er ortet Ungesetzliches.

Konkret, so führte Maderthaner im Ö1-„Morgenjournal“ aus, werde mit dem Vorgehen gegen das Bundesarchivgesetz verstoßen. Dort heißt es: „Das Schriftgut, das unmittelbar beim Bundespräsidenten, Kanzler oder einem Minister in Ausübung ihrer Funktion oder in deren Büros anfällt und nicht mehr beim Nachfolger bleiben soll, ist unverzüglich nach dem Ausscheiden aus der Funktion dem Staatsarchiv zu übergeben.“

Würde man diese Passage wörtlich nehmen, so Maderthaner im ORF-Radio, dann wäre alles an Schrift- und Verwaltungsgut, das in den Kabinetten anfalle, an das Archiv zu übergeben. Seiner Ansicht nach seien davon auch Papiere und Datenträger aus Minister- und Kanzlerbüros umfasst, die Parteiarbeit betreffen, sowie durchaus auch Privates. Allerdings werde das Gesetz wohl häufig nicht vollständig eingehalten und damit nicht vollständig geliefert, räumte er ein. Bestes Beispiel: das Außenministerium. Dieses liefere gar nichts an das Staatsarchiv, betreibt aber ein gesichertes eigenes Archiv.

25 Jahre versiegelt

Ein weiteres Manko: Es fehlten entsprechende Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten. Insofern ortete der Ex-Generaldirektor eine „komplette Machtlosigkeit der archivischen Institutionen“. Dabei hätten Parteien gar nichts zu befürchten, meinte Maderthaner. Denn die übergebenen Dokumente bleiben für 25 Jahre versiegelt. Allein der jeweilige Ex-Kanzler oder Ex-Minister sowie eine von diesem beauftragte Person haben in dieser Zeit Zugriff zu den Materialien.

Angesprochen auf die aktuelle „Schredder-Affäre“, meinte der in der Ära Werner Faymann (SPÖ) bestellte und seit einigen Wochen pensionierte Generaldirektor: „Sie hat dem Bundesarchivgesetz jedenfalls widersprochen.“ Die „Aktion“ habe eine „sehr neue Qualität in der Geschichte der Zweiten Republik“.

Detail am Rande: Wenn das Staatsarchiv nicht mehr benötigte Unterlagen schreddern lässt, kontaktiert man dafür nicht - wie im fraglichen Fall - eine externe Firma, sondern das Bundeskanzleramt. Von dort gingen die Dokumente, wie Maderthaner ausführte, „zur weiteren Vernichtung an eine entsprechende Bundesinstitution in St. Johann.“ 

Auf einen Blick

Die „Schredder-Causa" wurde bekannt, weil der damalige Kanzleramtsmitarbeiter die Rechnung nicht bezahlt hatte. Über seine Telefonnummer wurde er ausgeforscht und angezeigt. Die „Soko Ibiza“ prüft nun, ob mit der Datenvernichtung Beweismittel unterschlagen wurden.

>>> Wolfgang Maderthaner im Ö1-"Morgenjournal“ 

(hell)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Die Schredder-Affäre drehte sich um einen ÖVP-Mitarbeiter, der Festplatten aus dem Bundeskanzleramt zerstören ließ. (Archivbild)
Meta-Nachrichten

Schredder-Affäre: Ankläger bestreiten undichte Stelle

Einer der Ermittler der Schredder-Affäre war ÖVP-Gemeinderatskandidat.
NATIONALER SICHERHEITSRAT: CORONAVIRUS UND CYBERANGRIFF: BUNDESKANZLERAMT
Personalia

Schredder-Ermittler war als ÖVP-Mitglied der WKStA suspekt

Der Polizist soll einem Verdächtigen ein Handy unüberprüft zurückgegeben haben. Die WKStA dementiert eine Aktenweitergabe. Der Bundeskanzleramtsmitarbeiter erstattete Anzeige.
Logo der Firma Reisswolf, bei der das Schreddern stattfand.
Personalia

Schredder-Affäre: Mitarbeiter kehrt ins Kanzleramt zurück

Arno M. veranlasste die Vernichtung von fünf Festplatten - unter falschem Namen und ohne die Rechnung zu bezahlen. Nun soll er ins Kabinett Kurz zurückkehren.
Archivbild: Festplatten wurden zur Firma Reisswolf gebracht
Meta-Nachrichten

Geschreddert wurde nicht wegen Ibiza

Die Staatsanwaltschaft kann in der Vernichtung von Festplatten aus dem Kanzleramt keinen Zusammenhang mit der freiheitlichen Videoaffäre erkennen. Geprüft wird aber noch, ob die Aktion anderweitig strafbar war.
Das Kanzleramt in Wien.
Meta-Nachrichten

Kanzleramt: Datenlöschung unter Kurz und Kern zulässig

Die Vernichtung von Festplatten durch externe Unternehmen sei ein rechtskonformer Vorgang, teilt Kanzlerin Brigitte Bierlein mit. Der Zeitpunkt, als die ÖVP schreddern ließ, sei für sie nicht ungewöhnlich.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.