Stenzel stellt Hofer auf die Probe

Ursula Stenzel unterstützte Norbert Hofer im Präsidentschaftswahlkampf 2016. Nun kommt sie ihm in die Quere.
Ursula Stenzel unterstützte Norbert Hofer im Präsidentschaftswahlkampf 2016. Nun kommt sie ihm in die Quere.APA (HANS KLAUS TECHT)
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Die nicht amtsführende Stadträtin Ursula Stenzel wurde als Rednerin zu einer Kundgebung von führenden Identitären geladen. Parteichef Norbert Hofer spricht (noch) kein Machtwort.

Wien. Eine kurze Videoaufnahme, nicht länger als eine knappe Minute, zeigt Ursula Stenzel am Samstagabend in der Wiener Innenstadt. Sie spricht über ein Mikrofon zu den Menschen um sie herum, die Fackeln in die Höhe halten und Fahnen schwingen. Die FPÖ-Politikerin und nicht amtsführende Wiener Stadträtin spricht darüber, dass es „wahnsinnig wichtig“ sei, dass besonders junge Menschen „dieses Geschichtsbewusstsein haben“. Der Fackelmarsch fand zur Erinnerung an die Schlacht, die die Türkenbelagerung 1683 beendet hat, statt.

Diese Erinnerung an den Sieg über die Türken wird von Rechtsextremen weltweit hochgehalten, unter anderem vom norwegischen Massenmörder Anders Behring Breivik und dem Christchurch-Attentäter. Der Fackelzug wird in Österreich regelmäßig organisiert. 2017 lud die rechtsextreme Identitäre Bewegung zu der Veranstaltung, wie noch auf ihrer Website zu lesen ist. Auf den Fotos sind zahlreiche Menschen mit T-Shirts der Gruppe zu sehen. Und auch auf den Gedenkzug am vergangenen Samstag wird hingewiesen: „Trage mit uns die Fackel der Erinnerung weiter“, heißt es dort. In diesem Jahr wurde die Veranstaltung von einer Privatperson angemeldet, hieß es auf Nachfrage der „Presse“ von der Wiener Polizei. Im Impressum des Vereins „Gedenkzug“, der zu dem Termin ebenfalls einlädt, steht allerdings ein Sprecher der Identitären.

Vor Gedenken nachdenken

Von alldem will Stenzel aber nichts gemerkt haben: Es sei ihr „natürlich nicht bewusst“ gewesen, dass die Identitären die Veranstaltung organisiert hätten, sagte sie zu Ö1. In den vergangenen Jahren sei sie „immer wieder dabei“ gewesen – bis auf das Jahr 2018. Auf Facebook schrieb die Freiheitliche auch: „Ich entschuldige mich dafür und möchte meine klare Ablehnung der Identitären Bewegung zum Ausdruck bringen.“

Gleichzeitig zollte Stenzel im ORF-Radio „jedem Respekt, der hier an europäische Geschichte erinnert“. Ihre Teilnahme an der Veranstaltung sei „kein Fehler“ gewesen, Rücktrittsforderungen an ihre Person seien „lächerlich“. Tatsächlich gab es am Sonntag nur eine Partei, die Stenzel nach ihrem Auftritt verteidigte: die FPÖ. Zur Verteidigung rückte Generalsekretär Harald Vilimsky aus: „Gerade Stenzel, die selbst jüdischen Glaubens ist, eine Nähe zu den Identitären zu unterstellen, wäre mehr als absurd“, sagte er (Stenzel hat jüdische Vorfahren, bezeichnete sich aber in der Vergangenheit selbst als Katholikin). Auf die Auswahl der Teilnehmer der Veranstaltung und die Instrumentalisierung diverser Gruppen habe Stenzel nicht den geringsten Einfluss gehabt, argumentiert Vilimsky weiter. Nur ein einziger Satz in der freiheitlichen Stellungnahme lässt auf subtile Kritik schließen: Stenzel werde künftig erhöhte Sensibilität bei ihren Auftritten walten lassen.

Gut möglich also, dass Stenzel zumindest intern zu einem ernsten Gespräch geladen wird. Denn der designierte FPÖ-Chef, Norbert Hofer, hatte gerade erst vor einigen Tagen via „Krone“ verkündet, der Partei seinen Stempel aufdrücken zu wollen, wie er es selbst formulierte. Eine Statutenänderung beim Bundesparteitag am Samstag soll ihm ein Durchgriffsrecht für Parteiausschlüsse bei „rechten Ausrutschern“ von FPÖ-Mitgliedern bringen. „Wenn etwas passiert, muss sofort reagiert werden können. Ich will der Partei meinen Stempel aufdrücken“, sagte Hofer.

Hofer zeichnete rote Linien

In der Vergangenheit hatte er auch rote Linien in Bezug auf die Identitäre Bewegung gezeichnet: Kein Parteimitglied solle an einer Kundgebung der Gruppe teilnehmen oder andere Berührungspunkte damit haben. Hofer will damit signalisieren, dass seine Partei – trotz Ibiza – regierungsfähig ist und der ÖVP als Partner zur Verfügung steht.

In einem „Profil“-Interview vor Stenzels Auftritt sagte Hofer auch: „Beim historischen Konnex müssen wir viel, viel sensibler sein als andere Parteien.“ Und: Bei den Identitären sei es „nachvollziehbar, dass die ein Wahnsinn sind“. Die Aufregung um die Veranstaltung mit der rechtsextremen Gruppe kommt für Hofer also zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt: Eine Woche vor dem Parteitag und drei Wochen vor der Nationalratswahl muss Hofer auf sein Image als neuer Obmann besonders achtgeben.

Die politischen Mitbewerber der FPÖ nutzten den Anlass daher auch, um Hofer an sein Vorhaben zu erinnern. ÖVP, SPÖ, Neos, Grüne und Liste Jetzt riefen den Parteichef zu Stenzels Ausschluss auf. Sie soll auch nicht mehr als nicht amtsführende Wiener Stadträtin tätig sein dürfen. Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, forderte ebenfalls einen Rücktritt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2019)

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