Korruption: Staatsanwaltschaft ausgehungert

(c) Clemens Fabry
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Walter Geyer, Chef der Korruptionsstaatsanwaltschaft, beklagt die zahmen Gesetze und eine unzureichende personelle Ausstattung seiner Behörde. Österreich sieht er in puncto Korruption im europäischen Schnitt.

Die Presse: Ist Österreich ein korruptes Land?

Walter Geyer: Schwierige Frage. Wahrscheinlich in dem Ausmaß, in dem die meisten anderen europäischen Länder korrupt sind.

Also guter europäischer Durchschnitt?

In internationalen Vergleichen liegen wir immer noch recht gut.

Wer die Medienberichte der vergangenen Monate beobachtet, hat aber nicht unbedingt diesen Eindruck.

Es gibt einen Unterschied zwischen dem, was man durch Untersuchungen feststellen kann, und dem subjektiven Gefühl der Bevölkerung. Das ist so wie beim Sicherheitsgefühl, das nicht unbedingt damit korreliert, wie häufig Kriminaltaten tatsächlich vorkommen. Je mehr die Zeitungen berichten, desto mehr entsteht der Eindruck, wir sind sehr korrupt.

Und die spektakulären Fälle von Buwog bis Mensdorff ändern nichts an dieser Einschätzung?

Zu konkreten Fällen kann ich natürlich nichts sagen. Nur so viel: Wenn solche Dinge öffentlich werden, kann man das auch positiv sehen, erst jetzt kann man sie untersuchen und bekämpfen. Das ist besser, als würde alles unterm Teppich bleiben. Im Übrigen sehe ich einen Zusammenhang zwischen den aktuellen Fällen und der Finanzkrise, weil ein Teil davon nur durch die Krise bekannt geworden ist.

Die aufsehenerregenden Verfahren haben eines gemeinsam: Sie dauern alle ziemlich lange. Warum eigentlich?

Das hat viele Ursachen. Hauptursache ist, dass die Vorgänge, die es zu klären gilt, sehr kompliziert sind und bewusst schon so angelegt wurden, um eine Aufdeckung zu verhindern. Daher dauern solche Ermittlungen – egal in welchem europäischen Land – immer länger. Oft geht es um komplexe Finanzflüsse, die nachvollzogen werden müssen, wozu es Rechtshilfeersuchen bedarf, und die dauern lange, bis sie durchgeführt werden. Und das ist oft erst der Ansatzpunkt für die nächsten Erhebungsschritte.

Also keine Chance auf schnellere Verfahren?

Doch, man kann es schneller machen, man kann es besser organisieren, aber man darf nicht glauben, dass es genauso schnell abgehandelt wird wie bei einem Pkw-Einbruchsdieb, der auf frischer Tat betreten wird. Ein wesentlicher Punkt für die Verfahrensdauer ist natürlich auch, wie viel Personal eingesetzt wird.

Es gibt jetzt die Korruptionsstaatsanwaltschaft seit zwei Jahren. Ist das eine Wendung zum Besseren?

Es ist der Versuch, die Verfahren professioneller, gründlicher und auch schneller durchzuführen, wobei der Haken beim Personal liegt.

Sie haben zu wenig Staatsanwälte?

Das vorangegangene Jahr war für uns ein ziemlich dramatisches, weil die Personalsituation völlig unverändert geblieben, der Aktenanfall aber um mehr als 30 Prozent gestiegen ist und hier unvertretbare Rückstände entstanden sind. Ursprünglich war der Plan, dass wir 20 Staatsanwälte bekommen, dazu eine ansehnliche Anzahl von Experten. Dazu ist es nicht gekommen.

Sie müssen immer noch mit sieben Staatsanwälten auskommen?

Wir haben etwas mehr, im Februar sind uns zusätzlich zwei Staatsanwälte zugeteilt worden, die aber zum Teil noch alte Fälle bearbeiten, zum Teil noch nicht eingearbeitet sind. Im Kern hat sich an unserer Situation nichts geändert.

Fühlen Sie sich vom Justizministerium bewusst im Stich gelassen?

Das kommentiere ich nicht.

Reichen die gesetzlichen Regelungen aus?

Sie könnten verbessert werden. Die ursprüngliche Anfütterungsbestimmung wurde so stark entschärft, dass sie meiner Meinung nach unwirksam ist. Nach der alten Rechtslage, die von 2008 bis September 2009 gegolten hat, war jedes Anfüttern, diese Klimapflege im Vorfeld von konkreten Amtsgeschäften, bereits strafbar. Das war eine sinnvolle Regelung.

Sie wurde abgeschafft, weil niemand mehr zu den Salzburger Festspielen eingeladen werden durfte.

Das war ein vorgeschobenes und auch falsches Argument, die Entschärfung geht weit darüber hinaus.

Sie haben noch weitere Wünsche an den Gesetzgeber?

Ja. Zum Beispiel wurde der Amtsträgerbegriff zu sehr eingeschränkt. Insbesondere sind die Verantwortlichen der staatlichen Versorgungsbetriebe herausgefallen und unterliegen damit nicht mehr den relativ strengen Bestechungsregelungen. Bei den sogenannten Vorteilszuwendungen oder Vorteilsannahmen für pflichtgemäße Amtsgeschäfte sind die obersten Organe nicht erfasst.

Das heißt, Politiker darf man ungestraft bestechen?

In dieser allgemeinen Form stimmt das nicht. Aber es gibt Lücken, die zu schließen wären. In Bezug auf die Vorteilsannahmen sind unsere Bestimmungen möglicherweise nicht OECD-konform.

Zur Person

Walter Geyer (63) ist Leiter der 2009 eingerichteten Korruptionsstaatsanwaltschaft. Von 1986 bis 1988 war er auch kurzzeitig in der Politik und saß für die Grünen im Parlament. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft ist österreichweit für Korruptionsdelikte zuständig, die seit ihrer Gründung angefallen sind. Dazu gehört die Anklage gegen den Kärntner Landeshauptmannstellvertreter Uwe Scheuch, nicht aber das schon ältere Buwog-Verfahren. Die Behörde hat eine eingeschränkte Berichtspflicht: Nur Anklageerhebung oder Einstellung müssen genehmigt werden, nicht aber einzelne Ermittlungsschritte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2011)

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