Die ÖVP in der Reichensteuerfalle

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Die Regierung hat sich auf neue Abgaben geeinigt: Die Solidarabgabe für Bezieher sehr hoher Einkommen ist paktiert. Über Steuern auf große Erbschaften und Immobilienverkäufe wird derzeit noch diskutiert.

Wien. Neue Steuern sind de facto beschlossene Sache in der Regierung – vor allem Vermögen sollen zwecks Defizitabbau künftig höher besteuert werden. Die ÖVP bringt das in eine Zwickmühle: Von Parteichef Michael Spindelegger abwärts lehnte man Vermögensteuern stets ab und forderte einen scharfen Sparkurs. Auf diesen scheint zwar langsam auch die SPÖ einzuschwenken – aber nur, wenn es umgekehrt neue Erlöse für die Staatskasse gibt. Erwünschter Nebeneffekt: Damit könnten die Grünen von einer Schuldenbremse in der Verfassung überzeugt werden.

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner zog in der Vorwoche bereits einen 30:70-Schlüssel zwischen Steuern und Sparen in Erwägung; der ÖAAB und einige Landeshauptleute treten für eine Solidarabgabe ein, obwohl Spindelegger die Devise in der VP ausgegeben hatte, dass öffentlich nur über Einsparungen gesprochen werden dürfe. Intern hat man sich aber schon auf einige neue Steuern geeinigt – andere stehen zur Debatte.

• Eine Solidarabgabe für Spitzenverdiener ist in der Koalition längst vereinbart – auch wenn sich der Wirtschaftsbund der ÖVP noch dagegen sträubt. Demnach soll der Spitzensteuersatz für sehr hohe Einkommen von derzeit 50 auf bis zu 55 Prozent angehoben werden. Offen sind nur noch Details: Am wahrscheinlichsten ist, dass es Jahreseinkommen ab 300.000 Euro brutto trifft. Bei einem Spitzensteuersatz von 55 Prozent brächte die Solidarabgabe zwischen 150 und 160 Millionen Euro im Jahr.
• Damit einhergehen könnte eine Erhöhung der Kapitalertragssteuer (KESt), die maximal halb so hoch sein darf wie der Spitzensteuersatz. Wird dieser erhöht, kann auch die KESt steigen. Spindelegger-Sprecher Thomas Schmid dementiert eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes: „Das wäre unmoralisch.“
 Für eine isolierte Erhöhung, also ohne Spitzensteuersatz, brauchte es eine Zweidrittelmehrheit im Parlament.
• Wahrscheinlich ist, dass die ÖVP einer Umwidmungsabgabe zustimmt, die von der Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) aufs Tapet gebracht wurde. Umwidmungen von Grün- in Bauland sind in Österreich steuerfrei, obwohl sie eine Wertsteigerung mit sich bringen. Das soll sich – nach Ansicht beider Parteien – ändern.
• Denkbar ist für die ÖVP auch eine Vermögenszuwachssteuer auf Immobilien. Kanzler Werner Faymann will die Spekulationsfrist von derzeit zehn Jahren streichen und Gewinne aus Immobilienverkäufen (Verkaufspreis minus damaligem Kaufpreis) mit 25 Prozent besteuern. Die ÖVP signalisierte Gesprächsbereitschaft. Betroffen wären nicht nur Grundstücke, sondern auch Eigentumswohnungen. Ausgenommen sollen jene Immobilien werden, an denen die Verkäufer ihren Hauptwohnsitz hatten. Die SPÖ rechnet mit jährlich 700 Millionen Euro. Experten sind bei dieser Höhe jedoch skeptisch.
• Ausweichend reagieren ÖVP-Politiker dieser Tage auf das Thema Erbschaftssteuer. Sie wurde 2008 abgeschafft, nachdem der Verfassungsgerichtshof eine Reparatur angeordnet hatte. Die Grünen erhoben die Erbschaftssteuer in den Schuldenbremseverhandlungen zur Bedingung: Die SPÖ ist dafür, die Volkspartei dementiert. Intern wird aber schon über die Freibetragsgrenze debattiert. Im Gespräch: eine Million Euro.

Definitiv schließt Spindelegger nur eine klassische Vermögensteuer aus, wie sie in Österreich bis 1994 eingehoben wurde: Eine solche „Substanzsteuer“ werde es mit der ÖVP nicht geben, verspricht er regelmäßig. Wobei: Auch Erbschaften sind Vermögenssubstanzen.

Uneinigkeit bei den Pensionen

Das Sparpaket, das im März beschlossen werden soll, ist inzwischen weniger weit gediehen als das Steuerkonzept. Die ÖVP fordert „Strukturreformen“ – sprich: Kürzungen – in sechs Bereichen: in der Verwaltung, bei den ÖBB, im Gesundheitssystem, bei den Subventionen, im öffentlichen Dienst und, vor allem, bei den Frühpensionen.

Beide Koalitionsparteien wollen das faktische Pensionsantrittsalter, das derzeit bei rund 58 Jahren liegt, anheben: Jedes weitere Jahr würde 1,3 Milliarden Euro in die Kasse spülen. Die ÖVP drängt auf empfindlich höhere Abschläge für Frühpensionisten und Zuschläge für jene, die über das Regelpensionsalter (60 bzw. 65 Jahre) hinaus arbeiten. Ihr Ziel: Bis 2020 soll das faktische Pensionsantrittsalter um vier Jahre angehoben werden. Der SPÖ ist dieser Ansatz zu radikal. Ein Kompromiss scheint aber möglich.

Heikel dürfte es bei den ÖBB werden: Die SPÖ wird Einschnitten wohl nur zustimmen, wenn die ÖVP Kürzungen bei den Landwirtschaftsförderungen akzeptiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2011)

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