Der grüne Wettlauf gegen die Zeit hat begonnen

APA/GEORG HOCHMUTH
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Wahlkampfauftakt. Ulrike Lunacek schwört die Grünen auf eine Aufholjagd ein. Am „Populismuswettbewerb“ werde man nicht teilnehmen.

Wien. Bei den Grünen zählt jede Stunde bis zur Nationalratswahl. 990 seien es bis dahin noch, rechnete die Moderatorin den rund 200 Gästen beim grünen Wahlkampfauftakt am Montagabend vor. Mehr Zeit bleibt für die „Aufholjagd“, wie sie im Vienna Ballhaus mehrmals ausgerufen wurde, nicht. Der minutenlange Applaus bei der Begrüßung der Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek durfte dennoch nicht fehlen.

„Das hört gar nicht mehr auf“, kommentierte eine Frau in den vorderen Reihen. Es schien tatsächlich, als wollten sich die Grünen den Optimismus einimpfen beziehungsweise eigentlich einklatschen. „Es gibt nichts zu beschönigen“, sagte Lunacek als sie die Bühne betrat. Die Lage sei „ernst“.

Parteichefin Felipe fehlte

Wie ernst, das zeigte zuletzt eine Umfrage. Sie sah die Grünen nur noch bei fünf Prozent und damit erstmals hinter den Neos und nur noch knapp vor der Liste Pilz. Das ist nicht nur ein herber Verlust im Vergleich zur Nationalratswahl 2013 (damals waren es 12,4 Prozent). Sondern auch nahezu existenzbedrohend für die Partei. Denn vier Prozent braucht es, um überhaupt in den Nationalrat einzuziehen.

„Die Umfragewerte sind eine echte Herausforderung“, gestand auch Lunacek. Nun würden die Grünen aber die „Ärmel aufkrempeln und nicht mehr locker lassen“. Gemeinsam werde man „laufen, laufen, laufen“, schwor sie die Parteifreunde ein. Interessanterweise war aber ausgerechnet Parteichefin Ingrid Felipe nicht zugegen. Überhaupt war der Zusammenhalt bei den Grünen in den vergangenen Monaten nicht immer zu spüren. Zuerst gab es Zerwürfnisse mit der eigenen Parteijugend, dann zog sich Eva Glawischnig nach neun Jahren als Parteichefin zurück, und zuletzt verließ auch das prominente grüne Gründungsmitglied Peter Pilz die Partei und gründete seine eigene Liste. Der wollte man beim Wahlkampfauftakt nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken. Ein bisschen aber doch.

„Teure Inszenierung für billige Politik“


„Der Gegenkandidat macht es schwer für uns“, sagt Lunacek mit Blick auf Pilz. Doch Wadlbeißerei sei nichts für die Grünen. Die inhaltlichen Unterschiede würden ohnehin Tag für Tag stärker sichtbar, etwa wenn Pilz' Mitstreiter Benzin verbilligen und die Pflichtmitgliedschaft in der Wirtschaftskammer abschaffen wollen. Es gebe eben „nur eine grüne Partei“. Und die will offenbar wieder mit ihrem Stammthema, dem Umwelt- und Klimaschutz, punkten. Den würden sich zwar auch alle anderen Parteien an die Brust heften. Doch nur die Grünen würden ihn auch wirklich betreiben. So wünschte sich Lunacek in ihrer wenig emotional vorgetragenen Rede etwa „keine Neuzulassungen von Verbrennungsmotoren ab 2030“.

Ansonsten versuchten sich die Grünen als Alternative zur SPÖ zu präsentieren. Die würde sich nämlich für eine Koalition mit der FPÖ bereit machen. „Wer das nicht will“, der sei, sagte Vize-Klubchef Werner Kogler in seiner Rede, bei den Grünen gut aufgehoben. Durch die Erbschafts- und Schenkungssteuer versprechen die Grünen mehr Gerechtigkeit. „Wir machen bei diesem Populismuswettbewerb nicht mit“, sagte Lunacek in Anspielung auf die Steuergeschenk-Versprechen durch die anderen Parteien. Besonders häufig wurde ÖVP-Chef Sebastian Kurz kritisiert. Es handle sich um „teure Inszenierung für die billige Politik einer One-Man-Show“, so Kogler. Die Grünen würden sich, so der Tenor, nicht beim Schüren von Ängsten und beim Entsorgen von Grundrechten beteiligen.
Deshalb brauche es die Grünen „mehr denn je“. Das wolle man den Menschen erklären. „Wir waren schon oft Umfragekaiser, am Wahlabend war es dann anders. Diesmal, liebe Freunde, werden wir es umdrehen“, sagte Lunacek. Vorbild sei die Frauennationalmannschaft. Auch die sei aus den hinteren Reihen gestartet und habe „für eine tolle Überraschung gesorgt“. Die Uhr dafür tickt.

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