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Van der Bellen: „Höchster Feiertag der Demokratie“

Van der Bellen kam und mahnte.
Van der Bellen kam und mahnte.(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Bundespräsident Van der Bellen mahnt Parteien und Wähler: Die einen müssten in die Zukunft schauen, die anderen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen.

Wien. Man ist es ja gewohnt, dass der Bundespräsident mahnt: In Neujahrsansprachen, bei der Rede zum Nationalfeiertag, bei der Eröffnung der Rieder Agrarmesse. Ungewöhnlich aber ist, wenn die Präsidentschaftskanzlei eigens zu einer „Erklärung des Bundespräsidenten zum Wahlkampf“ einlädt. Gestern tat man es, auch wenn Alexander Van der Bellen nicht via TV zum Volk sprach, sondern die „Österreicherinnen und Österreicher vor dem Livestream“ begrüßte.

Der Bundespräsident sorgte sich in seiner knapp zwölfminütigen Ansprache um die politische Kultur, forderte die Bevölkerung auf, am „höchsten Feiertag, den eine Demokratie zu bieten hat“, zur Urne zu gehen, und erinnerte an die großen Zukunftsthemen, mit denen sich die Politik beschäftigen müsse. Das Quartalsdenken von Firmen, dieses „Wegwerfdenken“, sei in der Politik „völlig unangebracht“.

Dass der Bundespräsident ausgerechnet jetzt auftritt, wo es vermehrt Berichte über Negative Campaigning gibt, wo manche Parteien angeblich schon Schmutzkübelkampagnen fertig in der Schublade liegen haben, sei Zufall. Er hätte es „auch eine Woche früher oder eine Woche später“ machen können, meinte Van der Bellen auf eine entsprechende Journalistenfrage. Ob er den Wahlkampf als besonders schmutzig empfinde? Eigentlich nicht. Wenn er die Plakate aus den 1950er- und 1960er-Jahren anschaue – „die waren an demagogischen Untergriffen auch nicht gerade arm“.

Dennoch mahnte der Bundespräsident alle Parteien, dass es bei allen harten Auseinandersetzungen im Wahlkampf „nach dem 15. Oktober eine intakte Gesprächsbasis“ brauche. Er sei der Überzeugung, „dass Gemeinschaft und auch Demokratie dort entsteht, wo wir bereit sind, über unseren Eigennutz hinauszudenken“. Der Zusammenhalt beginne dort, wo der Egoismus aufhöre.

„Durch die Augen der Kinder“

Inhaltlich forderte das Staatsoberhaupt, dass die Politiker „die Welt durch die Augen der nächsten Generationen“ sehen müssten. Die Arbeit einer künftigen Regierung werde sich daran messen lassen müssen, ob „ihre Entscheidungen dazu angetan sind, langfristig positive Effekte zu erzielen“. Als Zukunftsthemen nannte Van der Bellen etwa die EU. Die großen Probleme könne man nur auf europäischer Ebene lösen. Ebenso die Erderwärmung, die sich u. a. durch die Hurrikans bemerkbar mache. „Wenn wir so weitermachen, werden unsere Kinder und Enkel nicht mehr wissen, was Schnee ist. Und das wird noch unsere geringste Sorge sein.“

Wer in der Betonung der Bedeutung dieser beiden Themen eine versteckte Wahlempfehlung für die Grünen sieht, die Van der Bellen jahrelang als Parteichef angeführt hatte, kann das – muss es aber nicht.
Die Migrationsproblematik handelte der Bundespräsident jedenfalls mit drei Sätzen ab. Einer davon: „Ein Thema (die Migration, Anm.), das uns mit Sicherheit über die nächste Legislaturperiode hinaus begleiten wird und das mit kurzfristigen, reflexhaften Maßnahmen nicht zu lösen sein wird.“

Andere Fragen, die Van der Bellen den Wählern mit auf den Weg gab: Die Digitalisierung, die Bildung und Ausbildung („die höchsten Güter unserer Gesellschaft“), der Kampf gegen die „beständig größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich“. Die Menschen sollten sich informieren und sich selbst fragen, welcher Partei sie am ehesten zutrauen, diese Themen zu behandeln.

Eine Versicherung gab der Bundespräsident ab: Er werde nach der Wahl darauf achten, dass „die neue Regierung bei der Formulierung des Regierungsprogramms eines nicht aus den Augen verliert: Österreich soll auch künftig ein Land im Herzen Europas, im Herzen der Europäischen Union sein. Ein Land, in dem das Miteinander, der gegenseitige Respekt und die in unserer Verfassung verankerten Grundwerte der Kompass unseres Handelns bleiben.“

Das bedingte eine Nachfrage eines Journalisten, ob er, Van der Bellen, eine Regierung mit FPÖ-Beteiligung angeloben würde. Der Bundespräsident blieb unverbindlich und verwies nur darauf, dass sich eine Regierung „der Wichtigkeit der europäischen Einheit“ bewusst sein müsse.

Nationalratswahl 2017

Die Nationalratswahl findet am 15. Oktober 2017 statt. Bundesweit treten zehn Listen an: SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne, Neos, Liste Pilz, Weiße, FLÖ, KPÖ PLUS, GILT.

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TV-Duelle und Chats: ORF und Privatsender veranstalten TV-Duelle. Die „Presse“ lädt alle Spitzenkandidaten der bundesweit antretenden Parteien zu Live-Chats: TV-Duelle und Chat-Termine im Überblick.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2017)

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