Tal Silberstein und die Wahrheit über die Schmutzkübel-Kampagnen der SPÖ

Georg Nierdermühlbichler in der Wahlkampfzentrale der SPÖ
Georg Nierdermühlbichler in der Wahlkampfzentrale der SPÖGEORG HOCHMUTH / APA / picturede
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Die SPÖ versucht Tal Silbersteins Rolle für den Wahlkampf seit dessen Verhaftung klein zu reden. Dokumente belegen, dass er in Wien ein Büro aufgebaut hat, das Schmutzkampagnen plante und durchführte. Die Mitarbeiter sind noch immer aktiv und betreiben die Facebook-Seiten "Wir für Sebastian Kurz" und "Die Wahrheit über Sebastian Kurz".

Die SPÖ wird den Geist ihres Ex-Beraters Tal Silberstein nicht los. Offiziell hat die Partei die Zusammenarbeit nach seiner Verhaftung in Israel wegen des Verdachts von Geldwäsche Mitte August beendet. Seitdem versucht die SPÖ seine Rolle für den Wahlkampf möglichst klein zu reden. Er sei hauptsächlich für Analyse von Umfragen und Motivforschung zu Rate gezogen worden, heißt es.

Recherchen der „Presse am Sonntag“ ergeben aber ein anderes Bild: Silberstein war alles andere als ein einzelner Berater, sondern hatte ein ganzes Kampfteam, das sich auch um die schmutzigen Seiten des Wahlkampfs kümmern sollte. „Der Presse am Sonntag“ wurde ein Konvolut an Dokumenten zu Silbersteins Arbeit zugespielt. Daraus geht etwa hervor, dass die Facebook-Seiten „Wir für Sebastian Kurz“ und „Die Wahrheit über Sebastian Kurz“ von ihm konzipiert und von seinen Mitarbeitern betrieben wurden. Sie sind noch immer aktiv. Medial gab es viel Aufregung um die Facebook-Seiten, deren Videos und Bilder Hunderttausendfach geklickt wurden. Die ÖVP hatte mehrfach die Löschung beantragt.

Die Facebook-Seite „Wir für Sebastian Kurz“ suggeriert aus ÖVP-nahen Kreisen betreut zu werden. Sie war wegen populistischer Ausreißer immer wieder im Fokus intensiver Diskussionen in den sozialen Medien. So wurde dort etwa ein Bild von Flüchtlingsmassen gepostet. Dazu der Text: „Zigtausende Migranten warten in Italien darauf, nach Mitteleuropa weiter zu kommen. NGOs drohen die Menschen nach Österreich zu bringen. Soll Österreich sich das gefallen lassen?“ An anderer Stelle wurde eine Abstimmung durchgeführt, ob der Brenner nun geschlossen werden soll. Die Strategie: Jene, die mit Kurz sympathisieren, sollen derart populistische Aussagen abschrecken. Die Intention des Silberstein-Teams ging auf: Etliche User zeigten sich über Kurz' angebliche Aussagen entsetzt und gaben an, ihn nun doch nicht wählen zu wollen.

Die halbe Wahrheit

Noch perfider ist die Seite „Die Wahrheit über Sebastian Kurz“, die den Eindruck erwecken sollte, von Freiheitlichen gestaltet worden zu sein. Weil sich Dirty Campaigning auch immer negativ auf den Absender auswirkt, versuchte man hier, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Kurz wird in ein schlechtes Licht gerückt – und die FPÖ soll verlieren, weil potenzielle Wähler das Anpatzen des anderen Kandidaten nicht goutieren. Auf dieser Facebook-Seite wird mit harten Bandagen gearbeitet. So wurde etwa die Behauptung verbreitet, dass der US-Investor George Soros mit Millionen hinter der Liste Kurz stehe. Soros ist Feindbild der extremen Rechten, die glaubt, dass Soros ein Anführer der jüdischen Weltverschwörung sei.

Screenshot Facebook

Kurz wird auch als Freund von Migranten inszeniert. Da gibt es etwa ein Bild von Kurz mit Angela Merkel mit dem Titel „Aus dem Familienalbum“. Dazu der Text: „Gleich und Gleich gesellt sich gern, offizielles Treffen der Erfinder der Willkommenskultur.“

Wer ist nun aber für die Inhalte der Seiten verantwortlich?„Presse am Sonntag“-Recherchen zufolge wurde das Konzept von Silberstein erstellt – Peter Puller war und ist federführend für die Bespielung der Facebookseiten zuständig. Dass Puller etwas von zweifelhaften Wahlkampfmethoden versteht, bewies er schon im Jahr 2005. Damals arbeitete er als Pressesprecher der steirischen ÖVP und konzipierte eine Schulungsunterlage für Kampagnenmitarbeiter. Da wurde etwa geraten, den damaligen SPÖ-Spitzenkandidaten Franz Voves in gefälschten Leserbriefen als Faulpelz und Verhinderer darzustellen. Besonders empfohlen wurden Internet-Postings, die sachlich unqualifiziert, aber für die Stimmung wichtige Einträge ermöglichen.

Zuletzt fiel Puller im Wiener Gemeinderatswahlkampf 2015 auf, wo er für die Neos arbeitete – übrigens auch damals gemeinsam mit Silberstein. Damals versendeten die Pinken Massen-SMS. Bei vielen Empfängern und auch anderen Parteien sorgte das das für Empörung. Die Neos mussten schlussendlich eine Verwaltungsstrafe wegen dieses Vorgehens bezahlen. Puller hat auch jetzt noch einen kleinen Beratervertrag bei Neos. Laut „Presse“-Informationen soll er auch für die Plattform „Stop Extremism“ arbeiten. Das ist eine überparteiliche Initiative gegen Extremismus und Terror in Europa, die von Gründer und Ex-Bundesrat (damals Grüne) Efgani Dönmez wenige Tage vor Bekanntwerden seiner Kandidatur für die Liste Kurz präsentierte wurde - und die seit Anfang Juli existiert. Dort dabei sind etwa auch die deutsche Rechtsanwältin und Frauenrechtlerin Seyran Ates oder Neos-Kandidatin Irmgard Griss.

„Ich habe nie gemeinsam mit Silberstein für die SPÖ gearbeitet“, sagt Puller auf Anfrage. Mit den Facebookseiten will er nichts zu tun haben – die Unterlagen, die der „Presse am Sonntag“ vorliegen, lassen allerdings keinen Zweifel an seinem Engagement zu. Was nun Pullers Motivation ist, die Seiten auch nach Silbersteins Ausscheiden Mitte August weiter zu betreiben und wer ihn dazu angewiesen hat, bleibt fraglich.

Die Rolle der SPÖ

Und inwieweit hat die SPÖ etwas in Auftrag gegeben? Die erste Reaktion: „Wenn es so etwas gibt, dann ist das ohne mein Wissen passiert“, sagt SPÖ-Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfleiter Georg Niedermühlbichler am Donnerstag. Silberstein wurde für Derartiges nicht beauftragt. Tatsächlich sollen laut „Presse am Sonntag“-Informationen nur wenige Personen innerhalb der SPÖ von der zweifelhaften Silberstein-Kampagne gewusst haben.

Einer, der es gewusst haben müsste, ist aber sein Mitarbeiter Paul Pöchhacker, der bis Silbersteins Ausscheiden das Bindeglied zur Partei war und danach dessen Agenden übernahm. Sein Name taucht mehrfach in den Unterlagen auf – dass er ohne Weisung von oben gehandelt hat, wäre aber nicht plausibel. Für eine Stellungnahme war Pöchhacker nicht erreichbar, er ist seit Längerem in Krankenstand.

Niedermühlbichler kündigte gegenüber der „Presse am Sonntag“ an, den Vorwürfen nachgehen zu wollen. Am Freitag kam von der SPÖ-Zentrale dann eine weitere Reaktion: „Aufgrund Ihrer Anfrage und konkreter Hinweise Ihrerseits haben wir den Fall hausintern genauestens prüfen lassen. Es gab tatsächlich einen Mitarbeiter, der um diese Facebookseiten wusste. Da er nach einem schweren Unfall im Krankenstand ist, können wir genauere Informationen dazu nicht erheben.“ Ob es sich um Pöchhacker handelt, wurde nicht bestätigt. Man betonte erneut, dass man die Seiten in keinster Weise unterstütze. „Gerade wo auch empörende Inhalte gegen unseren Spitzenkandidaten veröffentlicht werden.“

Die Facebookseiten wurden wenige Minuten nach Erscheinen des "Presse"-Artikels offline genommen.

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