Schmutzkampagne: Experten sehen "Super-GAU" für SPÖ

ÖVP mit Kerns Ankündigungen nicht zufrieden, FPÖ fordert dessen Rücktritt, Landau will Mäßigung.

Wien. Experten bezeichneten das, was sich am Wochenende abspielte, als „Super-GAU“ für die SPÖ. „Die Presse am Sonntag“ veröffentlichte Samstagfrüh einen Bericht darüber, dass das Büro von SPÖ-Exberater Tal Silberstein für Schmutzkübelkampagnen gegen ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz verantwortlich zeichnet.

Ein hochrangiger Mitarbeiter des SPÖ-Kampagnenteams hatte nicht nur davon Kenntnis, sondern war in die Planung und Umsetzung involviert. „Presse“-Informationen zufolge wusste nur ein kleiner, elitärer Kreis in der Partei von diesen zweifelhaften Methoden. Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler will nicht dazugehört haben – zog am Samstagnachmittag dennoch die Konsequenzen und trat zurück. Sonntag folgte von Bundeskanzler Christian Kern eine Erklärung mit der Ankündigung, dass man den Fall restlos aufklären wolle (siehe Seite 1).

ÖVP nicht zufrieden

Zwei Wochen vor der Wahl steht die SPÖ nun also ohne Geschäftsführer und Wahlkampfleiter da. Meinungsforscher Peter Hajek bezeichnet das ebenso als „Super-GAU“ wie Politikberater Thomas Hofer. OGM-Chef Wolfgang Bachmayer sagte gegenüber der APA, dass er nun sicher sei, dass sich Platz eins für die SPÖ nicht mehr ausgehe – der Wahlkampf aber generell von Pannen erschüttert gewesen sei. Als Beispiel nennt er den „Zickzackkurs“ beim Thema CETA, den „Vollholler“-Sager von Kern zur Schließung der Mittelmeerroute, die Verhaftung von SPÖ-Berater Silberstein, die Debatte um den Bau der Anti-Terror-Mauer vor dem Kanzleramt oder den Konflikt mit der Tageszeitung „Österreich“. Die „Wiederauferstehung“ Silbersteins und der Rücktritt des SPÖ-Geschäftsführers seien dann der Höhepunkt gewesen. „So eine Serie habe ich in 35 Jahren Politikbeobachtung noch bei keiner Partei erlebt“, sagt der Meinungsforscher.

Die schmutzigen Kampagnen sollten sich vor allem gegen die ÖVP richten – und die war trotz Niedermühlbichlers Rücktritt und Kerns Ankündigung, für Transparenz und Aufklärung zu sorgen, nicht zufrieden. ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger stellt der SPÖ in diesem Zusammenhang mehrere Fragen. Etwa, ob möglicherweise Vorfeldorganisationen mit Silberstein an Dirty Campaigning arbeiten und warum nun der SPÖ-Nationalratsabgeordnete Christoph Matznetter zur Aufklärung eingesetzt werde und nicht etwa ein unabhängiger Experte. Dazu unterstellt sie Kern, über Silbersteins Rolle die Unwahrheit gesagt zu haben. Die SPÖ hat nach dessen Verhaftung Mitte August stets betont, dass er hauptsächliche für die Analyse von Umfragen sowie Motivforschung zuständig sei. Dass er aber auch operative Schlüsselrollen hatte, wurde nicht erwähnt.

Die FPÖ findet, der Kanzler solle noch vor der Wahl zurücktreten. „Kern, der angeblich superkompetente Manager, ist nicht bereit, Verantwortung zu übernehmen, stattdessen verbreitet er Verschwörungstheorien“, sagt FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Auch für die grüne Spitzenkandidatin, Ulrike Lunacek, kommt Kerns Erklärung zu spät (siehe unten): „Der Schaden ist angerichtet.“

Zu Wort meldete sich auch Caritas-Präsident Michael Landau, der forderte, dass alle Fakten auf den Tisch müssten. „Gerade im Finale des Wahlkampf appelliere ich an alle zu Mäßigung, Respekt und Sachlichkeit. Die Würde des Menschen ist unteilbar, und daran sollten sich alle auch im Wahlkampf orientieren.“

Die Wahlpannen

Der Wahlkampf der SPÖ lief bisher alles andere als rund. Beim Thema CETA fuhr die SPÖ einen Zickzackkurs. Innerhalb der SPÖ gab es Streitereien zwischen Bundeskanzleramt und Parteizentrale, wie der Wahlkampf ausgerichtet werden soll. Es kam zu einer Schlägerei zwischen Mitarbeitern – Kampagnenleiter Stefan Sengl kündigte. Berater Silberstein wurde verhaftet – nun flog auf, dass er Facebook-Seiten gegen die ÖVP betrieb.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2017)

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