Kern an Silberstein: "Unmoralisch" und "unglaublich blöd"

Bundeskanzler Christian Kern
Bundeskanzler Christian KernAPA/HERBERT PFARRHOFER
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SP-Bundeskanzler Christian Kern kritisiert ein "strukturiertes Absaugen von Daten" aus dem innersten Kreis der Kampagne. Die Äußerungen seines Ex-Beraters sorgen für "kein Aufatmen". Denn: "Die Facebookseiten waren von uns nicht gewünscht."

"Verrückt und unverständlich" nennt Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzender Christian Kern die jüngsten Wendungen um seinen ehemaligen Wahlkampfberater Tal Silberstein. Silbersteins Erklärung, wonach Kern in die Facebook-Aktionen gegen ÖVP-Chef Sebastian Kurz nicht eingeweiht gewesen sowie das Budget dafür unter 100.000 Euro gelegen sei und aus Silbersteins SPÖ-Honorar bezahlt wurde, reicht dem Kanzler noch nicht.

"Faktum ist, dass die Facebookseiten von uns nicht gewünscht waren. Es war nicht nur unmoralisch, sondern auch unglaublich blöd", sagte Kern während einer Wahlkampftour durch die Obersteiermark. Es gebe bei ihm wegen der Silberstein-Entlastung "kein Aufatmen", meinte der SPÖ-Chef. Die Angelegenheit sei weiter "höchst aufklärungsbedürftig".

>> Die ungeklärten Fragen der Causa Silberstein

Da die manipulierten Facebookseiten laut Silberstein aus Teilen seines SPÖ-Honorars, das in Summe bei rund 400.000 Euro liegen soll, bezahlt wurden, will Kern prüfen lassen, ob wegen der Verwendung der SPÖ-Gelder Regressforderungen an Silberstein möglich sind. Die ganze Sache werde ein juristisches Nachspiel haben, das über den 15. Oktober hinausgehen wird. Schon gestern hatte die Partei angekündigt, Anzeige gegen Unbekannt und eine Sachverhaltsdarstellung einbringen zu wollen.

"Strukturieres Absaugen von Daten"

Aufklärung fordert der SPÖ-Chef aber auch über die Umstände der Veröffentlichung der vielen internen SPÖ-Papiere in den vergangenen Wochen. Kern berichtete, dass nicht nur die bisher bekannten Mails und Dokumente, sondern auch andere SPÖ-Interna durch ein Datenleck den innersten Kreis der Kampagne verlassen haben. Jede interne Umfrage, jeder Werbe-Slogan und jede Rede des Kanzlers sei unmittelbar nach Fertigstellung und noch vor der Veröffentlichung durch die SPÖ beim politischen Mitbewerber gelandet, so ein hörbar verärgerter Parteichef. Kern spricht vom "strukturieren Absaugen von Daten".

Was ist bisher geschehen? Der "Presse am Sonntag" ist ein Konvolut an Dokumenten zu Silbersteins Arbeit für die SPÖ zugespielt worden. Daraus geht etwa hervor, dass die Facebook-Seiten "Wir für Sebastian Kurz“ und "Die Wahrheit über Sebastian Kurz“ von ihm konzipiert und von seinen Mitarbeitern betrieben wurden. Teilweise wurden dort antisemitische und rassistische Inhalte veröffentlicht. Am Wochenende, nach Erscheinen des "Presse"-Berichts, trat SPÖ-Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfleiter Georg Niedermühlbichler zurück, obgleich er bekundete, nichts über die Vorgänge zu wissen. Auch Kanzler Kern beteuert sein Unwissen in der Angelegenheit.

Dienstagfrüh war nun Silberstein zur Verteidigung von Kern ausgerückt. Letzterer sei in seine Facebook-Aktionen nicht eingeweiht gewesen, sagte Silberstein, wie das Magazin "News" auf seiner Website berichtete. "Der Kanzler hatte nicht einmal das entfernteste Wissen oder die entfernteste Information darüber", wurde Silberstein zitiert. Und: "Es ist Teil einer Negativkampagne der Gegenseite, alles dem Kanzler und der SPÖ vorzuwerfen." An die Öffentlichkeit gelangt sei  die Causa "ganz sicher" durch einen "Maulwurf".

Facebook blockt Anfragen zu Dirty Campaigning-Seiten ab

Facebook blockt unterdessen Presseanfragen zu den Seiten, mit denen der Dirty Campaigning gegen ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz organisiert wurde, ab. Man kommentiere keine Einzelfälle, hieß es auf Anfrage der Austria Presseangentur. "Alle Menschen, die Facebook nutzen, müssen sich an geltendes Recht halten", erklärte die Facebook-Sprecherin allgemein. Dies gelte auch für all diejenigen, die politische Kampagnen verantworten. "Wir haben gut funktionierende Prozesse, um mit Beschwerden bzgl. Aktivitäten auf unserer Plattform umzugehen und arbeiten mit Strafverfolgungsbehörden zusammen, wo dies relevant ist."

Auch die ÖVP hatte Facebook abblitzen lassen: Die Volkspartei habe im Juli die Löschung der Seite "Wir für Sebastian Kurz" sowie die Herausgabe der Betreiberdaten beantragt, dies sei seitens Facebook aber nie erfolgt. Bei "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" habe man einzelne, diffamierende Postings beanstandet, diese seien aber ebenfalls nicht gelöscht worden, so ein ÖVP-Sprecher. Die beiden Seiten sowie auch "Die Wahrheit über Christian Kern" gingen am Wochenende nach den "Presse"-Enthüllungen offline.

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(APA/Red.)

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