Der nächste Akt in der Silberstein-Causa

Dunkle Wolken über der SPÖ- Parteizentrale.
Dunkle Wolken über der SPÖ- Parteizentrale.(c) Hans Klaus Techt / APA / picture (Hans Klaus Techt)
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Die Silberstein-Affäre ist seit Samstag wieder um eine Facette reicher. Ein SPÖ-Berater soll einer Silberstein-Übersetzerin, die Interna weitergegeben haben soll, Schweigegeld geboten haben.

Es war eine skandalträchtige innenpolitische Woche – und auch der Start in das Wochenende gestaltete sich nicht weniger turbulent. Denn die Affäre rund um den Ex-SPÖ-Berater Tal Silberstein wurde am Samstag um eine neue Facette ergänzt. Ein Berater des Kanzlers soll, wie die „Kronen Zeitung“ berichtet, eine Übersetzerin, die als eine der möglichen Quellen für die durchgesickerten SPÖ-Interna gehandelt wird, per SMS unter Druck gesetzt und ihr Schweigegeld angeboten haben.
Die ohnehin komplizierte Geschichte wird hier noch verwirrender. Im Mittelpunkt steht nun eine Frau, die den Mailverkehr zwischen Tal Silberstein und der SPÖ übersetzt hat, und daher intern verdächtigt wird, vertrauliche Informationen an die Medien weitergegeben zu haben. Diese Übersetzerin hat nun ihren SMS-Verkehr mit Rudi Fußi offengelegt. Fußi ist PR-Berater und war in die offiziell von der SPÖ beauftragten Kampagne an Tal Silberstein eingebunden. Er soll auch Teile der „Plan A“-Rede des Kanzlers geschrieben haben.

Es sind mehrere Nachrichten, die veröffentlicht worden sind. Teilweise in rauem Ton: „Glaub mir, so ein Leben willst nicht führen. Oder glaubst du, die Partei lässt dich in Ruhe, wenn du sie versenkst? Die klagen dich in Grund und Boden und zerren dich durch die Arena.“ Als die Übersetzerin auf mehrere SMS nicht antwortet, folgt: „Egal, was dir die VP dafür gegeben hat. Ich gebe dir das Doppelte und sorge dafür, dass dir rechtlich nichts passiert.“ Fußi scheint die ÖVP hinter der Causa zu vermuten und bietet Schweigegeld. Als es auch darauf keine Reaktion gibt, schreibt er: „Sie haben deine Telefonprotokolle. Und klagen dir wohl den Arsch weg.“

Fußi selbst bestätigt die Echtheit des SMS-Verkehrs. Die SPÖ habe, so sagt er gegenüber der „Presse am Sonntag“, „überhaupt nichts damit zu tun“. Es gehe um seinen persönlichen Ärger. Die Drohung, dass jemand über die Telefonprotokolle der Dolmetscherin verfüge, sei nur „ein Bluff“ gewesen, „um den Maulwurf unter Druck zu setzen“, wie Fußi gegenüber der „Presse am Sonntag“ sagt. Außerdem habe er kein Schweigegeld ausgelobt, sondern nur eine Belohnung für Infos zur Weitergabe seiner privaten Mails versprochen. Er habe der Dolmetscherin, wie er der Austria Presseagentur sagt, angeboten „gerne dafür zu zahlen, wenn sie beweist, dass sie von dritter Seite Geld bekommen hat“. Dieses Angebot gelte noch immer: „Wenn jemand beweisen kann, dass meine E-Mails an jemanden verkauft wurden und vor allem an wen sie verkauft wurden, so bin ich bereit, dafür eine Belohnung von 30.000 Euro zu bezahlen“, so Fußi.

SPÖ distanziert sich von Fußi. Die SPÖ distanzierte sich im Laufe des Samstagnachmittags von diesen Vorgängen. Die von Fußi erfolgten Einschüchterungsversuche seien „unentschuldbar und keinesfalls im Sinne der SPÖ“, so die beiden SPÖ-Bundesgeschäftsführer Andrea Brunner und Christoph Matznetter in einer Aussendung. Fußi sei allerdings „weder Mitglied der SPÖ“ noch stehe er „in irgendeinem Auftragsverhältnis zur SPÖ“. Die SPÖ bezeichnet Fußi lediglich als „Kommunikationsberater und Kabarettist“.

Die Silberstein-Geschichte spielt auf mehreren Schauplätzen. Der aktuelle Fall rund um Fußi und die Dolmetscherin hat mit einigen durchgesickerten SPÖ-Papieren, in denen sich wenig schmeichelhafte Worte über SPÖ-Chef Christian Kern befanden, zu tun. Zusätzlich haben die „Presse“ und das „Profil“ erst kürzlich Details über die von Tal Silberstein betriebene Schmutzkübelkampagne auf Facebook gegen Sebastian Kurz enthüllt. In dieser „Dirty- Campaigning“-Affäre erhob ein Silberstein-Mitarbeiter zuletzt einen schweren Vorwurf gegen die ÖVP. Er behauptete, dass ihm der Sprecher von Kurz 100.000 Euro angeboten haben soll, wenn er zur ÖVP wechselt und Details zur SPÖ-Kampagne preisgibt. Der ÖVP-Sprecher streitet diese Darstellung vehement ab. Es steht Aussage gegen Aussage. Beide Seiten versuchen es nun mit Klagen gegen den jeweils anderen.

„Größter politischer Skandal“. Die neuen Entwicklungen waren am Samstag noch nicht einmal publik als SPÖ-Chef Christian Kern vom „größten politischen Skandal der Zweiten Republik“ sprach. Die SPÖ habe daran zwar „einen Anteil“. Aber auch die ÖVP könne „ihre Hände nicht in Unschuld waschen“, so der Kanzler in diversen Medien. Die rote Wahlkampagne sei jedenfalls „systematisch“ verkauft worden. Das Ganze erinnere „eher an einen Spionagekrimi als an ernsthafte Politik“, sagte Kern in einem Facebook-Video. Beide Parteien sollen nun vom Tempo runter und zu einem vernünftigen Umgang miteinander kommen.
Noch ist davon allerdings nichts zu erkennen. Auch am steirischen ÖVP-Landesparteitag in Graz war die Causa großes Thema. „Es gibt seit einiger Zeit massive Aktionen, um uns anzupatzen und uns schlechtzumachen“, sagt Kurz. Man habe schon seit geraumer Zeit geahnt, „was sich zusammenbraut und dass SPÖ und Tal Silberstein dahinter stecken“. Nun wisse man es. Das Maß sei „endgültig voll, wir werden uns zur Wehr setzen“, sagt der ÖVP-Chef. Am 15. Oktober sei nicht nur die Nationalratswahl, sondern auch eine Volksabstimmung darüber, ob „wir die Silbersteins und andere wollen, die versuchen den politischen Gegner anzupatzen und fertigzumachen, oder ob wir unseren Weg wollen, nämlich das Land zum Positiven zu verändern", sagte Kurz unter heftigem Applaus am Parteitag, an dem der steirische ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer mit 99,5 Prozent wiedergewählt wurde.

Wahlanfechtung? In dieser ungewöhnlich heißen Phase des Wahlkampfs dürfte man in der SPÖ bereits über ungewöhnliche Mittel nachdenken: nämlich darüber, die kommende Nationalratswahl anzufechten. Die SPÖ sieht sich ja in nie dagewesener Weise in ihrem Wahlkampf behindert, vor allem durch die ÖVP. Das ist allerdings eine völlig andere Situation als diejenige, die den Wahlgang bei der Hofburgwahl juristisch angreifbar gemacht hatte. Damals hatte der Verfassungsgerichtshof eine Vielzahl von Fehlern im Wahlverfahren festgestellt.
Die SPÖ beklagt nun aber Fehler ihres politischen Gegners und nicht von Behörden. Experten geben einer Anfechtung abseits des Wahlverfahrens selbst deshalb keine Chance. Für die von der SPÖ behaupteten illegalen Handlungen der ÖVP sind eher die Zivil- und Strafgerichte zuständig. Prompt hat Kern von ersten Strafverfahren gesprochen, offenbar wegen der Auskundschaftung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses, worauf Strafen von bis zu zwei Jahren Haft stehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2017)

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