Kurz fühlt bei Strache vor – und umgekehrt

Würde in der Hofburg gerne als Regierungsmitglied angelobt werden: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.
Würde in der Hofburg gerne als Regierungsmitglied angelobt werden: FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.(c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
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Koalitionsverhandlungen. Ein erstes informelles Treffen fand am Mittwochabend statt, nächste Woche soll es ernst werden: Die FPÖ rechnet damit, dass sie von Sebastian Kurz eingeladen wird. Die nötigen Vorbereitungen wurden bereits getroffen.

Wien. Zumindest das Wochenendprogramm von Sebastian Kurz dürfte mittlerweile feststehen: Nachdem ihm Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Freitag, um elf Uhr, den Regierungsbildungsauftrag erteilt hat, wird Kurz das Gespräch mit den Chefs aller Parlamentsparteien suchen. Spätestens am Mittwoch sollen diese Vorsondierungen abgeschlossen sein. Dann wird sich die ÖVP entscheiden, mit welcher Partei sie Koalitionsverhandlungen aufnehmen möchte.

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Kurz' Wahl auf die Freiheitlichen fällt. Zumindest entsprach das am Donnerstag der Erwartungshaltung in der Volkspartei. Am Abend davor gab es schon einmal ein erstes, informelles Gespräch zwischen Kurz und FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache – im privaten Rahmen, wie es aus beiden Parteien heißt. Angeblich traf man sich in Straches Wohnung in Klosterneuburg.

Die Gesprächsdetails blieben geheim. Aber beide Seiten dürften sich einig sein, warum sie es miteinander versuchen wollen – und argumentieren zunächst einmal mit dem Wählerwillen. Die ÖVP hat am Sonntag am meisten (7,5 Prozentpunkte), die FPÖ am zweitmeisten (5,5) dazugewonnen, während die SPÖ nicht über ihr Ergebnis aus dem Jahr 2013 hinausgekommen ist. Eine Mehrheit in der ÖVP möchte nicht mehr mit den Sozialdemokraten koalieren. Soziale Unverträglichkeit wird als Grund angegeben – und eine Art Burn-out-Syndrom in Bezug auf die Große Koalition. Außerdem gibt es inhaltlich deutlich mehr Überschneidungen mit den Freiheitlichen, etwa in der Migrations- und in der Wirtschaftspolitik.

Das FPÖ-Verhandlungsteam steht schon

Die FPÖ macht sich inzwischen Hoffnungen auf eine Einladung von Sebastian Kurz. Und dieses Mal ist sie vorbereitet. Im Jahr 1999, heißt es in der Partei, habe man sich von Wolfgang Schüssel über den Tisch ziehen lassen. Diesen Fehler werde man sicher nicht mehr machen. Sein Verhandlungsteam hat Strache im Wesentlichen schon beisammen. Vizeparteiobmann Norbert Hofer wird dabei sein, Generalsekretär Herbert Kickl und Klubdirektor Norbert Nemeth. Themenabhängig sollen Landesparteichefs und externe Experten beigezogen werden.

Teile seiner inhaltlichen Forderungen hat der FPÖ-Chef schon am Mittwoch auf den Tisch gelegt. Unterschreiben würde er nur ein Regierungsprogramm, das zu 50 Prozent eine „freiheitliche Handschrift“ trage. Die FPÖ möchte unter anderem die Grenzkontrollen in Österreich fortsetzen, abgelehnte Asylwerber schneller abschieben und die Steuerquote drücken, außerdem „mehr direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild“. Eine Koalitionsbedingung ist für Strache das Innenministerium, das dann womöglich auch von ihm besetzt würde.

Wen holt Strache in die Regierung?

Wer in der FPÖ sonst noch ministrabel ist? Ein logischer Kandidat wäre Manfred Haimbuchner. Der stellvertretende Landeshauptmann von Oberösterreich will allerdings in seiner Heimat bleiben – auch, weil er auf einen Wahlsieg bei der nächsten Landtagswahl (2021) hofft. Dafür gebe es andere Kandidaten aus seinem Bundesland. Und auch Kandidatinnen, die die Freiheitlichen dringend brauchen: Brigitte Povysil etwa, Radiologin und Landtagsabgeordnete. Die Linzerin ist in der Partei anerkannt und könnte als Gesundheitsministerin auf ihre Fachexpertise zurückgreifen. Auch die Anwältin Ulrike Pöchinger wird als Personalreserve genannt, sie könnte die Familienagenden oder das Justizressort übernehmen.

Eine Alternative für das Justizministerium wäre allerdings auch die Anwältin Susanne Fürst – obwohl gerade für diesen Posten einige Namen kursieren. Dem Kärntner Gernot Darmann werden Ambitionen nachgesagt, bessere Karten dürften aber die beiden Abgeordneten Harald Stefan und Walter Rosenkranz haben. Der Linzer Verwaltungsrechtsprofessor Andreas Hauer ist ebenfalls im Gespräch, wobei: Für ihn könnte es auch einen Job im Verfassungsgerichtshof geben.

Sollten sich die Freiheitlichen in den Verhandlungen nicht durchsetzen und das Innenministerium doch nicht bekommen, würden sie zumindest auf das Verteidigungsressort bestehen. In diesem Haus sind sie ohnehin gut verankert. Eine Möglichkeit für diesen Ministerjob wäre beispielsweise der ehemalige Wehrsprecher im Parlament, der Unteroffizier Mario Kunasek. Allerdings gilt das eher als unwahrscheinlich: Kunasek hat den Nationalrat vor zwei Jahren verlassen, um sich auf seine Heimat zu konzentrieren – die Steiermark. Auch ihn zieht es nicht unbedingt wieder nach Wien. Als eine Option wird in der Partei der oberösterreichische Militärkommandant Kurt Raffetseder genannt.

Das Außenministerium als Forderung

Der zweite Generalsekretär, Harald Vilimsky, der die FPÖ als Abgeordneter im EU-Parlament vertritt, meldete gestern auch Ansprüche auf das Außenamt an. Wobei das eine Forderung sei – und keine Bedingung wie das Innenministerium.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2017)

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