Der dunkle Pulverrauch hinter Udo Landbauer

Udo Landbauer
Udo Landbauer(c) Clemens Fabry
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Der FPÖ-Spitzenkandidat für die Landtagswahl ist trotz des Skandals um NS-Lieder auf Stimmenfang. Ein Lokalaugenschein.

Schrems. Kamera und Mikrofon sind auf Udo Landbauer gerichtet. Er spricht im zentimetertiefen Schneematsch stehend über das „vernachlässigte Waldviertel“, als es plötzlich knallt. Das ohrenbetäubende Geräusch lässt alle verwundert um sich blicken. Hinter dem FPÖ-Spitzenkandidaten steigt eine dunkle Rauchwolke in den Himmel auf. Das Interview wird kurz unterbrochen.

„Ich habe Sie beobachtet: Sie sind schussfest“, sagt Rudolf Kammerer, der Chef des Granitwerks, zu Landbauer, den er am gestrigen Mittwoch über das Firmengelände führt wenig später. Der Knall im Steinbruch wurde absichtlich durch Schwarzpulver ausgelöst. Für den Knall im freiheitlichen Landtagswahlkampf hat Tags zuvor bereits ein „Falter“-Artikel, der von NS-verherrlichenden Liedern in Landbauers Burschenschaft Germania berichtet, gesorgt (siehe Bericht unten). Dafür könnte Landbauer eine gewisse „Schussfestigkeit“ brauchen. Denn die Vorwürfe werden die letzten Tage vor der niederösterreichischen Landtagswahl am Sonntag schwierig machen.

Das hat sich schon im Waldviertel gezeigt. Nach nur vier Stunden Schlaf wollte Landbauer eigentlich in einem Transportunternehmen in Gars am Kamp, im Granitwerk in Schrems und später im Lagerhaus Zwettl um Unternehmerstimmen werben. Schon seit Längerem versuchen die Freiheitlichen, die von Wahl zu Wahl immer mehr Arbeiter für sich gewinnen, auch bei den Unternehmern zu reüssieren. „SPÖ und ÖVP haben Arbeitnehmer und Arbeitgeber immer gegeneinander ausgespielt. Wir versuchen, für beide da zu sein“, sagt Landbauer und hört sich die Klagen der Transportunternehmer über „zu strenge Lenk- und Ruhezeiten“ sowie über die „fehlenden Lehrlinge in der Region“ an.

Schwierigkeiten mit der Bürgernähe

Landbauer versucht, sein Programm abzuspulen. Lachen wird man ihn an diesem Tag aber nur selten sehen. Er wirkt konzentriert. Mit den Gedanken ist er wahrscheinlich häufig woanders. Zu Scherzen ist er jedenfalls nicht unbedingt aufgelegt. Das erkennen auch die „Schanksteher“, wie sie sich selbst nennen, im Gasthaus in Vitis, bald nachdem Landbauer in seinem Trachtenjanker den Gastraum betritt. Sieben Männer und eine Frau stehen dort an diesem Vormittag an der Bar. „Wie hoaßn Sie nu amoi? Des hob i vergessen“, sagt ein älterer Herr. Landbauer stellt sich vor. Nach wenigen Sätzen geht er wieder weiter. Genug der Bürgernähe. Die FPÖ-Truppe zieht sich lieber ins reservierte Extrazimmer zurück.

Dabei hätte das Team hier potenzielle Wähler vorgefunden. Rudi, der Landwirt, hat „freilich“ sein ganzes bisheriges Leben ÖVP gewählt, aber schon bei der vergangenen Nationalratswahl ist er „fremdgegangen“. Und er überlegt, es am Sonntag wieder zu tun und ein Kreuz bei der FPÖ zu machen. Die NS-verherrlichenden Lieder, die in Medien und Politik für große Aufregung sorgen, werden daran vermutlich nichts ändern. Die haben sich bis zu den „Schankstehern“ zu diesem Zeitpunkt nämlich noch gar nicht herumgesprochen. Hier werden lieber Witze gemacht. Früher, erzählt einer, habe man bei den Heiligen Drei Königen „einen immer schwarz anmalen müssen“. Heute, so sagt er, müsse man hingegen „schon zwei weiß anmalen“. Die Runde lacht.

„Linke Meinungsdiktatur“

Landbauer bekommt davon nichts mehr mit. Er hat sein Cordon Bleu bereits zur Hälfte stehen gelassen und hat sich mit seinem Team zurückgezogen. Der FPÖ-Spitzenkandidat wird sich in wenigen Minuten einem Interview des Ö1-Mittagsjournals stellen. Mit welchen Worten er sich dabei von dem Liederbuch mit der Textzeile „Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million“ (eine Anspielung auf die sechs Millionen ermordeten Juden unter der Nazi-Diktatur) distanzieren wird, wird wohl vorab noch besprochen.

Im Radio hört man ihn wenig später Folgendes sagen: Er habe mit antisemitischen und nationalsozialistischen Gedankengut nichts zu tun. Die Liederbücher habe er so nie gesehen. „Ich habe niemals verwerfliche Lieder gesunden“, sagt der 31-Jährige. Als die Bücher gedruckt wurden, sei er erst elf Jahre alt gewesen, betont Landbauer mehrmals. Irgendwann wird er zornig. Das merkt man an seiner Stimme. Er lasse sich von der „linken Meinungsdiktatur“ nicht nehmen, „O Tannenbaum“ oder „Stille Nacht“ zu singen, bemüht er einen etwas fragwürdigen Vergleich. Die Mitgliedschaft in der Burschenschaft hat Landbauer ruhend gestellt. Verlassen wird er sie erst dann, wenn dort die Bereitschaft, die Sache aufzuklären „und zu säubern“, fehle.

Dann geht es in den Steinbruch. Dort wird Landbauer auf das Thema nicht mehr angesprochen. Doch wie werden die Wähler darauf reagieren? „Die werden erkennen, dass man mir nur etwas anhängen will“, sagt er. Später postet er kämpferisch: „Jetzt erst recht!“ Damit hat übrigens auch der ehemalige Bundespräsident Kurt Waldheim erfolgreich gegen Vorwürfe, er habe seine NS-Vergangenheit verschwiegen, kampagnisiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2018)

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