NS-Lieder, die keiner kennen will

Der niederösterreichische FPÖ-Spitzenkandidat, Udo Landbauer, lässt sich durch die Vorwürfe nicht aus der Ruhe bringen.
Der niederösterreichische FPÖ-Spitzenkandidat, Udo Landbauer, lässt sich durch die Vorwürfe nicht aus der Ruhe bringen.(c) Clemens Fabry
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Bei einer Durchsuchung wurden 19 Liederbücher sichergestellt. Der Verfassungsschutz ermittelt – und leidet seit Umfärbung des Ministeriums an Personalschwund.

Wien. FPÖ-Innenminister Herbert Kickl fühlt sich von den Medien schon wieder falsch verstanden. Donnerstagfrüh sagte er: „Ich halte es ehrlich gesagt für ziemlich ausgeschlossen, dass es Ermittlungen gegen ihn gibt“ – und meinte damit den niederösterreichischen FPÖ-Spitzenkandidaten Udo Landbauer und die Vorwürfe rund um nationalsozialistische Lieder in einem Liederbuch der Burschenschaft Germania. Landbauer war bis vorgestern deren stellvertretender Vorsitzender.

Auf Kickls Aussagen folgte Entrüstung. Warum er glaube, den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft vorgreifen zu können – oder ob er dem ihm unterstehenden Verfassungsschutz entsprechende Weisungen geben werde, monierte die Opposition. Kickl versuchte sich Donnerstagnachmittag zu erklären: „Die Aussagen bezogen sich darauf, dass nach meinem Wissensstand aktuell gegen unbekannte Täter ermittelt wird und nicht gegen Landbauer.“

Personalabgänge

Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt ermittelt tatsächlich gegen unbekannt. „Es gibt derzeit keinen Anfangsverdacht gegen Landbauer und keine Hinweise, dass er an einer strafbaren Handlung beteiligt sei“, heißt es gegenüber der „Presse“. Die Ermittlungen stünden aber auch erst am Anfang. Freitag soll jedenfalls jener Mann vernommen werden, den die Germania als Verantwortlichen für das Liederbuch benannte und der sich der Polizei stellen wollte.

Weiters kam es am Mittwochabend in den Räumlichkeiten der Germania zu einer Hausdurchsuchung. 19 Liederbücher und zwei Aktenordner wurden dabei sichergestellt, die nun dem Verfassungsschutz übergeben wurden. Dieser soll nun auswerten, ob die betreffenden Lieder vorhanden seien – oder, wie Landbauer behauptet, herausgerissen oder geschwärzt wurden. Falls etwas geschwärzt wurde, muss weiters mit chemischen Methoden festgestellt werden, wann dies gemacht wurde.

Bisher gebe es noch keine Ergebnisse, hieß es am Donnerstag. Die Behörden seien noch mit der Auswertung befasst – man habe abseits des Falls in Wiener Neustadt auch sonst viel Arbeit zu bewältigen. Und das vermutlich mit immer weniger Personal.

„Presse“-Informationen zufolge geht die Umfärbung des Innenministeriums mit personellen Abgängen einher – zumindest was das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) betrifft. Hochrangige Beamte haben sich neue berufliche Perspektiven gesucht – weitere sollen am Sprung sein. Der ehemalige stellvertretende Direktor des BVT, Wolfgang Zöhrer, ist nun in der Sicherheitsakademie tätig. Klaus Gruber, Leiter des Lagezentrums, hat sich nach Tunesien versetzen lassen.

Die Skepsis unter den rund 500 BVT-Beamten gegenüber der FPÖ ist teilweise groß – nicht zuletzt aufgrund deren guter Kontakte nach Russland. Man fragt sich, wie sich die Abwehr der Russland-Spionage künftig gestaltet soll und ob westliche Geheimdienste im bisherigen Umfang auch künftig kooperationsbereit sein werden. Kopfweh bereitet auch das Thema Rechtsextremismus. Es wird bezweifelt, dass die FPÖ die dafür nötige Sensibilität aufbringen kann – gibt es doch in ihren Reihen immer wieder Vorfälle.

Die Burschenschaft Germania in Wiener Neustadt ist den Beamten jedenfalls ein Begriff – denn schon als im Jahr 2010 gegen die rechtsextreme Seite donaualpen.info ermittelt wurde, geriet die Verbindung ins Visier. Die Mitglieder der Burschenschaft sind großteils Schüler und Abgänger des Militärgymnasiums.

Landbauer hat nach Bekanntwerden der nationalsozialistischen Liedertexte angegeben, alle Funktionen ruhend zu stellen. Allerdings ist das nicht so einfach – denn wer einer Burschenschaft beitritt, geht diesen Bund fürs Leben ein. So zumindest die Idee.

Der österreichische Pennälerring hat die Germania vorerst suspendiert, bis die Vorwürfe geklärt sind. Das werde auf jeden Fall nicht vor der Niederösterreich-Wahl sein, heißt es seitens der Staatsanwaltschaft.

Rechtfertigung vor Europa

„Die betreffenden Personen werden sich zu rechtfertigen haben“, sagte Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Donnerstag. „Dieses leidige Liederbuch ist inakzeptabel, und es ist absolut inakzeptabel, dass niemand merkt, dass so ein Buch herumliegt, selbst wenn es nicht gesungen wird“, sagte er am Rande eines Treffens mit dem Europaratsgeneralsekretär, Thorbjørn Jagland. Die Causa schade außerdem dem Ansehen Österreichs und habe ihn nun in die missliche Lage gebracht, Österreich deswegen vor dem Europarat verteidigen zu müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2018)

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