Wählerströme: 147.000 FPÖ-Wähler blieben zu Hause

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Was hat die Liederbuchaffäre der FPÖ bewirkt? Die Analysen gehen auseinander. Die ÖVP hat von den Zweitwohnsitzern profitiert. Und punktet bei den Jungen deutlich weniger.

Wien/St. Pölten. Wie groß war der Effekt des NS-Liederbuchskandals bei der niederösterreichischen Landtagswahl? Laut dem Sora-Meinungsforscher Günther Ogris hat die Affäre um Spitzenkandidat Udo Landbauer der FPÖ durchaus geschadet. Im Vergleich zu den Umfragen habe sie im Wahlkampffinale zwei bis vier Prozentpunkte eingebüßt, sagt er. „Die Schlussmobilisierung ist der FPÖ, anders als sonst, diesmal gar nicht gelungen.“ Die (sehr wenigen) spätentschlossenen Wähler hätten sich selten für die FPÖ entschieden. Der größere Effekt: Von denen, die bei der Nationalratswahl FPÖ wählten, sind diesmal 147.000 zu Hause geblieben – mehr als die Hälfte. Und auch diese könnten sich teilweise erst spät dazu entschlossen haben.

Die Causa Landbauer könnte für diese Bürger ein Verunsicherungsfaktor gewesen sein, meint der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier – seiner Meinung nach war sie jedoch bestenfalls das Zünglein an der Waage. Womöglich hätte dann das knappe 29. Mandat der ÖVP gewackelt. Dass die FPÖ deutlich hinter den Nationalratsergebnissen zurückbleibt, sei aber nichts Neues. Laut dem Meinungsforscher Peter Hajek hat die Affäre der FPÖ sicher nicht genützt, wenngleich bei einigen der „Jetzt-erst-recht“-Effekt gezogen haben dürfte. Einen Last-Minute-Swing mit größeren Wählerverschiebungen zur ÖVP sieht er jedoch nicht. Die Trends hätten sich schon früher abgezeichnet.

Anders als Landbauer war Landeschefin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) für ein Viertel ihrer Wähler das Hauptmotiv – und für noch mehr zumindest ein Mitgrund. Die absolute Mehrheit verdankt die ÖVP auch den Zweitwohnsitzern. Diese haben laut Sora/ORF zu mehr als zwei Drittel ÖVP gewählt. Stimmen verloren hat die Volkspartei gegenüber der vorigen Landtagswahl 2013 an die FPÖ und an die Nichtwähler. Nicht zur Wahl gegangen sind auch von anderen Parteien relativ viele Wähler der vorigen Landtagswahl (siehe Wählerstromgrafik rechts). Die Wahlbeteiligung ist insgesamt von 70,75 Prozent im Jahr 2013 auf 66,5 Prozent zurückgegangen.

Das schlechteste ÖVP-Ergebnis in einer Gemeinde sagt über die Dominanz der niederösterreichischen ÖVP schon einiges aus: Es liegt bei satten 20,75 Prozent in Golling an der Erlauf. Ihr bestes Ergebnis hat sie in Japons erreicht, wo mehr als acht von zehn Wählern Schwarz ankreuzten. Die SPÖ hat in Bärnkopf mit 51,42 Prozent reüssiert und in Aderklaa nur 3,45 Prozent geschafft. FPÖ-Hochburg bleibt Blindenmarkt mit 34 Prozent, die Grünen haben den größten Erfolg mit 17,05 Prozent in Eichgraben eingefahren, die erstmals angetretenen Neos in Hinterbrühl mit 15,23 Prozent der Stimmen.

Die ÖVP ist bei den Älteren stark

Stark war die ÖVP vor allem bei den älteren Wählern. Laut Hajek/ATV machte die Volkspartei bei den über 50-Jährigen knapp 60 Prozent der Stimmen, bei den Wählern unter 30 war es dagegen nur noch gut ein Drittel. Die Jüngeren wünschen sich laut Sora generell eine Veränderung. So sind 56 Prozent der Meinung, dass es Zeit wäre, dass in Niederösterreich einmal eine andere Partei an der Landesspitze steht. Apropos: Den langjährigen Landesfürsten Erwin Pröll (ÖVP) vermissen laut Hajek-Umfrage zwei Drittel der Niederösterreicher (eher) nicht. 43 Prozent antworten sogar: Pröll fehle ihnen überhaupt nicht. (beba/APA/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2018)

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