Erster Sündenfall des „3. Lagers“

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Korruption seit 1945 (4). Heimliche Spenden und gar nicht kleinliche Großparteien: Der „Verband der Unabhängigen“ wurde bestochen, um einen Skandal zu vertuschen.

Wer glaubt, dass die täglich zutage geförderten kleinen Korruptionshandlungen, Durchstechereien und parteipolitischen Trickdiebstähle eine „Errungenschaft“ unserer Tage seien, ist wohl kein gelernter Österreicher. Die „Kultur“ des Gebens und des Nehmens über alle Parteigrenzen hinweg gab es in der Zweiten Republik schon zu Zeiten, da die ideologischen Gräben noch viel tiefer waren als sie heute sind. Im Nationalrat mieden die Mandatare der beiden Großparteien jene des VdU wie Aussätzige, da deren Wählerschaft seit 1949 zu einem Gutteil aus ehemaligen, aber „minderbelasteten“ Nazis bestand.

Hilfe für die „Kellernazis“

Außerparlamentarisch freilich war man längst nicht so streng. Vor allem, wenn ein geheimer Deal der schwarz-roten Koalition von VdU-Abgeordneten hätte aufgedeckt werden können. Da half man den „Kellernazis“ rasch – und recht unbürokratisch. Freilich nur, wenn Gegenleistungen erfolgten.

Im Korruptionsprozess gegen Exminister Peter Krauland (siehe „Die Welt bis gestern“ vom 21.April) wurde 1954 diese Vorgangsweise zum Staunen der Zeitungsleser mehrfach publik. Dass dabei auch noch unterschwellig Antisemitismus mitschwang, machte die Sache noch unerquicklicher.

Es ging zum Beispiel um die Abfertigung eines jüdischen Papierfabrikanten, der rechtzeitig vor den Nazis ins Ausland hatte flüchten können und dessen Fabrik in Österreich sich die ÖVP nach 1945 zu einem „Okkasionspreis“ einverleibte. Der jüdische Vorbesitzer verlangte, dass er 800.000 Dollar frei ins Ausland transferieren durfte. Eine Unmöglichkeit angesichts der Devisenknappheit dieser Jahre.

Was also tun? Ein Zeuge, der die Sache regeln sollte, berichtete, dass SP-Vizekanzler Adolf Schärf zunächst scharf gegen diese Devisenschiebung, wenige Tage später aber plötzlich damit einverstanden gewesen sei. („Bewegung im Zuhörerraum“, berichtete die Zeitung.)

Für zwei Waggons Rotationspapier...

Warum also dieser Sinneswandel, der uns Heutige frappant an die Kehrtwendung der Herren Schüssel/Bartenstein/Scheibner/Grasser in Sachen „Eurofighter“ erinnert? In der Zwischenzeit konnte man nämlich dem VdU-Abgesandten Franz Klautzer „plausibel“ erklären, warum seine Fraktion von einem Wirbel im Parlament dringend Abstand nehmen sollte: Zwei Waggons Rotationspapier für die VdU-Zeitung waren ein gutes Argument. Daraufhin schrieb Klautzer dem VP-Klubobmann Felix Hurdes, er werde schon dafür sorgen, dass der Entwurf einer Ministeranklage „von der Tagesordnung verschwindet“.

Daraufhin trat der schwarz-rote Ministerrat zusammen, ÖVP-Finanzminister Margaretha stellte den Antrag, die verbotene Devisenschiebung zu billigen: einstimmig angenommen. Der Richter im Krauland-Prozess zu dem Zeugen: „War damit Ihre Tätigkeit in dieser Sache erledigt?“ – „Natürlich. Klautzer hatte hunderttausend Schilling eingesteckt – und dann wollte er von mir noch eine Bestätigung, dass er das Papier käuflich erworben habe.“

Damit war das saubere „Image“ dieser Vorläuferpartei der FPÖ angekratzt. Von diesem Selbstbildnis, das die jeweilige Parteiführung immer entwarf, kann heute keine Rede mehr sein. Selbst wenn Vorfälle wie der „Fall Niedermüller“ längst in gnädiges Vergessen geraten sein sollten.

Unter diesem falschen Namen quittierte der stellvertretende FPÖ-Obmann Gustav Zeillinger Anfang der Sechzigerjahre den Empfang von Geldern, die direkt aus dem Pressefonds der SPÖ flossen. Weitere Finanzierungshilfen kamen von SPÖ-Chef Bruno Pittermann selbst und schließlich vom ÖGB-Präsidenten Franz Olah. Beide SPÖ-Exponenten hatten gute Gründe, die Freiheitlichen zu hätscheln, um eventuell mit deren Hilfe einmal aus der starr gewordenen Großen Koalition mit den Bürgerlichen aussteigen zu können.

Die „Geschichten vom Dr. Kreisky“

Wesentlich geschickter, weil klandestin, organisierte Pittermanns Nachfolger, Bruno Kreisky, Parteispenden. Besser gesagt: Er ließ organisieren. Von seinen Bewunderern, deren es zahlreiche gab, denn für Funktionärstalente gab es in den Siebzigerjahren ebenso ungeahnte Karrierechancen wie für Kulturschaffende, Rechtsanwälte, Tanzschulbesitzer, Unternehmer, Glücksritter. Im Club45 am Kohlmarkt, beim Demel des Udo Proksch heckte man 1979 Wahl-Inserate aus, die berühmt gewordenen „Geschichten vom Doktor Kreisky“. Die Gelder kamen auf verschlungenen Wegen aus der fernen Schweiz. Herr Holliger, ein Finanz-Strohmann, war für die österreichische Öffentlichkeit noch kein Begriff, auch für die Journalisten nicht.

Am 19.Mai 1981 schoss die ÖVP-Opposition in der parlamentarischen Fragestunde scharf auf den amtierenden Kanzler und SPÖ-Chef Kreisky. Der Abgeordnete Kurt Bergmann – wir zitieren aus dem stenografischen Protokoll:

„Herr Bundeskanzler!

Ich glaube, um zu Ihrer letzten Bemerkung zu kommen, dass Sie die ,Geschichten vom Dr. Kreisky‘ ganz gerne aus der Geschichte weg hätten, auch wenn sie zu lustigen Bonmots Anlass geben. Ich darf Sie im Anschluss an den Kollegen Steinbauer noch etwas fragen. Der Herr Holliger und der Herr Udo Proksch, beide Waffenliebhaber, standen hinter dieser Absicht, eine Waffenausstellung nach Österreich zu bringen. Sie haben uns im Untersuchungsausschuss wörtlich gesagt: ,Ich halte aber eine solche Ausstellung, die alle Waffenschieber der Welt hier versammeln würde, für vollkommen unerwünscht und unzweckmäßig.‘ Ich frage Sie jetzt: Werden Sie in der in wenigen Minuten beginnenden Ministerratssitzung Ihren Kollegen, die in diesem Nobelverein Club45 sind, empfehlen auszutreten, damit sie nicht mit den Waffenschiebern der Welt versammelt sein müssen?

Waffenschieber im Club45?

Präsident: Herr Bundeskanzler, bitte.
Bundeskanzler Dr. Kreisky: Zuerst einmal habe ich zu sagen, dass ich von keinem einzigen Mitglied dieses Clubs weiß, dass es als Waffenschieber gilt. Das ist wieder einmal eine jener Behauptungen, die Sie einfach aufstellen, ohne hiefür auch nur den geringsten Beleg zu haben. (Beifall bei der SPÖ.) Ich fühle mich verpflichtet – nicht aufgrund meiner Kompetenz, sondern aufgrund der Tatsache, dass ich Regierungschef in diesem Land bin –, jeden Österreicher gegen unbegründete Vorwürfe, solange sie unbewiesen sind, in Schutz zu nehmen, und habe das immer wieder praktiziert. (Beifall bei der SPÖ.)

Und was den Club45 betrifft, so gehöre ich diesem Klub nicht an, aber ich weiß sehr genau, dass es in Österreich so wie in anderen Ländern viele Vereine gibt, in denen sich Männer zusammenfinden aus den verschiedensten Gründen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Blenk.) Ich habe Ihnen schon gesagt, in Österreich gibt es zum Beispiel den CV, und es kann niemand behaupten, dass das eine Vereinigung ist, die ohne jeglichen Einfluss auf die österreichische Verwaltung in der Vergangenheit gewesen wäre; das wissen Sie sehr genau. (Zustimmung bei der SPÖ.)

Es gibt also verschiedene Klubs und Vereine, und ich lehne es ab, mich um ihre Tätigkeit zu kümmern. Das ist ausschließlich Sache der Vereinspolizei und nicht meine.

(Beifall bei der SPÖ.)“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2012)

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