Weniger Freizeit, aber mehr Freiheit

Porträt. Leonhard Merckens war Geschäftsführer bei großen Unternehmen, ehe er Hirschalm übernahm: Heute handelt er mit Hirschgeweihen und produziert Kauknochen für Hunde.

Ursprünglich wollte Leonhard Merckens die zehn goldenen Regeln, die er mit seinen Mitarbeitern bei Hirschalm erarbeitet hatte, gar nicht publizieren. Erst ein Freund überzeugte den 42-Jährigen davon, sie auf der Firmen-Homepage zu veröffentlichen – weil sie viel über Merckens und sein Unternehmen erzählen. Da geht es etwa um Qualität, Transparenz im Umgang mit Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern, Behörden, Banken, Arbeitssicherheit, Innovation, Umweltbewusstsein, Freundlichkeit oder darum, mit Partnern mit gleicher Philosophie zu arbeiten. Und noch etwas: „Wir machen keine Ramschaktionen.“

Das würde auch nicht zu den Naturprodukten passen, die Hirschalm vertreibt: Abwurfstangen österreichischer Berghirsche. Merckens liefert weltweit an Kunden, die Hirschgeweihe für Dekorationszwecke genauso wie für die traditionelle chinesische Medizin als Mittel gegen Osteoporose verwenden. Außerdem produziert Hirschalm aus den Abwurfstangen Kauknochen für Hunde.

2013 übernahm er Hirschalm von einem Kärntner Landwirt, der einen Nachfolger gesucht hatte. Obwohl selbst Jäger, konnte Merckens zunächst mit dem Geschäftsmodell nichts anfangen, doch nach einem vierstündigen Gespräch wusste er: „Das ist es.“ Einen Monat später war er Eigentümer.

Den Plan, selbstständig zu werden, hatte er nach Jahren in der Unternehmensberatung, als Geschäftsführer in der Papierindustrie bei Mondi und später in der Abfallwirtschaft bei Brantner gefasst. Denn er wollte selbstverantwortlich arbeiten und entscheiden. Im Wissen, wesentlich mehr investieren zu müssen. „Jetzt habe ich weniger Freizeit, aber mehr Freiheit“, sagt Merckens. „Wer für die eigene Tasche arbeitet, fragt sich ständig: Ist das, was ich mache, eine schlaue Idee.“ Auf der anderen Seite erlebe er Hochs intensiver: Etwa, wenn Produkte gut ankommen. Jetzt, sagt er, sei er gefühlt sogar risikofreudiger als als angestellter Geschäftsführer.

Riskant fanden viele seiner Freunde, bei Brantner auszusteigen, ohne einen neuen Job zu haben. Mehr noch: Merckens nahm sich eine Auszeit und tourte samt Familie acht Wochen lang durch Asien. Eine erlebnisreiche Zeit, an die er gern zurückdenkt.

Was heißt, authentisch zu sein?

Gern denkt er auch an seine berufliche Zeit vor der Selbstständigkeit: „Es war die Basis für das, was ich jetzt mache“, sagt er. „Bei Mondi hatte ich tolle Vorgesetzte wie Veit Sorger, Peter Machacek oder Thomas Ott.“ Sie lebten Inspiration und Struktur vor und zeigten ihm, was gute Unternehmensführung bedeutet. Dabei lernte er, Strukturen zu etablieren: „Es braucht den Mix aus Emotion und fachlicher Information. Man muss den Mitarbeitern die Vorteile zeigen, sie partizipieren lassen, und sie müssen mitentscheiden können.“ Dazu müsse man als Führungskraft authentisch sein. Nach seiner Lesart heißt das: Niemals etwas verlangen, was du nicht selbst zu machen bereit bist.

Bei Brantner war es der Unternehmergeist der Eigentümer, der Merckens faszinierte, und deren Geschick, die richtigen Leute zu holen. „Was sich bei allen Unternehmen, für die ich tätig war, zeigte“, sagt der gebürtige Oberösterreicher, der in Deutschland, Frankreich und den USA BWL studierte, „war der Fokus auf die Mitarbeiter.“ Deren Qualität, ist er überzeugt, sei einer der entscheidenden Wettbewerbsvorteile der österreichischen Wirtschaft. Und deshalb kreisen viele der goldenen Regeln bei Hirschalm um die Mitarbeiter.

Apropos Werte: Nach der sogenannten Wirtschaftskrise hätte Merckens erwartet, dass Werte mehr Bedeutung bekämen. Es gebe zwar viele Unternehmen, die darauf schauen, „aber es gibt vielfach Luft nach oben.“

ZUR PERSON

Leonhard Merckens (42) begann seine Karriere in der Unternehmensberatung. Danach arbeitete er auf Geschäftsführerebene in der Papierindustrie und der Abfallwirtschaft. 2013 entschied er sich, das Handelsunternehmen Hirschalm zu übernehmen. Hirschalm handelt mit Abwurfstangen von österreichischen Berghirschen und produziert daraus auch Kauknochen für Hunde. Derzeit beschäftigt Hirschalm drei Mitarbeiter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2015)

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