Marcel Koller: „Das Lockere kann ich nicht brauchen“

Porträt. Wenige Führungskräfte standen so unter Beobachtung wie der Teamchef der österreichischen Fußballnationalmannschaft, Marcel Koller. Zum Nachlesen ein Porträt von Juni 2016.

In den kommenden Tagen wird er die meistbeachtete Führungskraft des Landes sein. Jede Geste, jede Entscheidung, jede Aussage wird genau analysiert und kritisiert werden: Die Rede ist von Marcel Koller, Teamchef der österreichischen Fußballnationalmannschaft, die bei der Europameisterschaft in Frankreich im Einsatz ist.

Er habe, sagt der 55-Jährige über sich selbst, „eine natürliche Autorität, mir kann man nichts vormachen“. Auch die Spieler dürften den gebürtigen Schweizer so sehen. „Als Mannschaft brauchst du einen Mann, der etwas vorgibt. Marcel Koller tut das, die Spieler folgen ihm“, sagt Christian Fuchs, der als Kapitän des Nationalteams so etwas wie der verlängerte Arm des Trainers auf dem Feld ist.

Mehr als bloß Everybody's Darling

Was Koller als Führungskraft – in der Rolle eines Projektmanagers, der seine Leute selbst zusammensucht und temporär für ein Länderspiel oder Turnier mit ihnen arbeitet – ausmacht, ist seine ambivalente Haltung: Er sei ein Trainer, der Ideen durchsetze. Und er könne auch ein Kumpel sein, wie Hubert Patterer in seinem Buch „Marcel Koller – Die Kunst des Siegens“ (Edition Kleine Zeitung, 300 Seiten, 24,80 Euro) schreibt. Wer Everybody's Darling sein wolle, könne als Führungskraft nichts erreichen, sagt Koller. Ebenso wenig werde es gelingen, wenn Autorität nur auf Zwang und Hierarchie beruhe.

Viel setzt Koller daran, dass sich seine Projektmitarbeiter, in erster Linie die Spieler, wohlfühlen. Diese „Begegnungen in einer Wohlfühloase“ wären aber kein Kuscheln in der Komfortzone, betont er. So wichtig ihm Disziplin sei, die Spieler müssten gern für die Nationalmannschaft arbeiten wollen. Es geht ihm um die Begeisterung, das gemeinsame Projektziel, oder zumindest einzelne Meilensteine, zu erreichen und nicht nur eine lästige Pflicht zu erfüllen.

Koller, der ausgebildeter Sanitärinstallateur ist, übernahm schon als aktiver Spieler (Ko-)Trainer-Aufgaben. Dabei hat er gelernt, Dynamik und Gefüge der Gruppe genau zu beobachten: Gerade in einem Fußballteam sind die Mitglieder unterschiedlich alt, haben unterschiedliche Interessen und Lebenserfahrungen. „Wenn ich mit dem Team zusammen bin, bin ich hellwach in der Wahrnehmung, dann bin ich von acht Uhr früh bis elf Uhr abends auf Antenne“, sagt Koller in „Die Kunst des Siegens“. Er versucht, die Gruppe selbst steuern zu lassen, welches Verhalten tolerierte werde. Und doch greift er immer wieder auch direkt ein. „Er weiß, wann wir einen Tritt in den Hintern brauchen oder eben leisere Töne gefragt sind“, räumt auch Torhüter Robert Almer ein.

Leise Töne, klare Worte

Um leisere Töne anschlagen zu können, hat es Koller den Spielern überlassen, die Spielregeln für das Zusammenleben abseits des Spielfelds festzulegen. Auf einige Regeln bestand er aber doch: pünktlich beim Frühstück zu erscheinen und Handyverbot bei den gemeinsamen Mahlzeiten.

Worauf Koller außerdem Wert legt, sind klare Worte. Er hält nichts davon, nur zu loben. Grenzen zu setzen ist ihm wichtig. Und auch zu sagen, dass 80 Prozent Einsatz für eine hundertprozentige Leistung nicht reichen. „Wenn du nur 80 Prozent gibst, kann es sein, dass du in der 92. Minute ein Tor bekommst.“ Daran arbeitete er mit seinem Team, denn, „das Lockere kann ich nicht brauchen. ,Passt scho'‘ kannst du sagen, wenn du das Ziel erreicht hast.“

(Print-Ausgabe, 11.06.2016)

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