Die tägliche Mini-Pension

Kolumne "Karrierewege". Das Leben ist zu kurz, um es erst in der Pension zu leben.

Viele Menschen schieben die Freuden des Lebens auf die Zeit in der Pension hinaus. Reisen, Beschäftigung mit Kindern und Zeit für ausgedehnte Spaziergänge mit dem Partner sollen die Tage nach Abschluss der Karriere füllen. Das Berufsleben scheint für viele nur die Überbrückung eines weitgehend unangenehmen Lebenszustands zu sein, bis sie die verbleibende Zeit auf Erden endlich mit gutem Gewissen, ohne berufliche Zwänge und in finanzieller Freiheit genießen können.

Besonders große Pläne hatte ein Rechtsanwalt, der das Studium nur deshalb wählte, um schließlich so viel Geld zu verdienen, dass er sich in der Pension alle Wünsche erfüllen konnte. Die Juristerei interessierte ihn Zeit seines Lebens überhaupt nicht. Er arbeitete Tag und Nacht über viele Jahrzehnte auf sein großes Ziel hin, eine zweijährige Luxusreise rund um die Welt finanzieren zu können.

Am Abend vor seiner Abreise lud der 65-jährige frisch gebackene Pensionist all seine Familienmitglieder und Freunde zu einer großen Feier zu sich ein. Bei seiner Abschiedsrede blickte er in Gedanken auf sein erfolgreiches Berufsleben zurück, das ihm niemals etwas bedeutet hatte – mit Ausnahme des vielen Geldes. Er hob zu einem letzten Toast an, als er plötzlich einen Herzinfarkt erlitt und noch an Ort und Stelle verstarb.

Die Moral dieser Geschichte ist offensichtlich: Es ist gefährlich, seine Lebensträume auf die Zukunft zu verschieben, weil unsere kostbare Lebenszeit jedenfalls begrenzt ist und viele Umstände eintreten können, die uns eines Tages davon abhalten könnten, unsere größten Sehnsüchte zu erfüllen.

Die Übung, die jeder von uns machen sollte, ist die Beantwortung der Frage: Was würden Sie in der Pension tun, wenn Sie endlich genug Zeit und Geld haben und den Tag ohne berufliche Verpflichtungen planen können?

Was immer Ihnen vorschwebt, sollten Sie möglichst bald, jedenfalls aber innerhalb der nächsten 12 Monate umsetzen. Dabei müssen Sie nicht das ganze Pensionsprogramm fahren, sondern können es auch in kleineren Häppchen genießen. Es muss nicht immer die ganz große Weltreise sein. Für viele genügt auch ein etwas längerer Urlaub im ferneren Ausland von 2 oder 3 Wochen oder sogar ein freier Nachmittag mit der kleinen Nichte.

Sehen Sie es als ein Vorgriff auf Ihre Pension. Sie geben einen Teil des Geldes, das Sie für die Pension bereitgestellt haben, schon jetzt aus, und konsumieren auch einen Teil der Zeit als Rentner schon jetzt. So erleben Sie viele kleine Mini-Pensionen und können dem tatsächlichen Ruhestand gelassener und ohne Druck entgegensehen. Wer eine gute Pension führen will, sollte früh damit anfangen.

Conrad Pramböck ist Berater und Speaker zu Gehalts- und Karrierethemen. Er leitet bei der Personalberatung Pedersen & Partners den Geschäftsbereich Compensation Consulting.

Die gesammelten Kolumnen sind im neuen Buch "Karrierewege" erschienen. Der Reinerlös des Buchverkaufs kommt Pramböcks Sozialprojekt "Ein Kinderlachen verdienen" zugute.

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