Das Neue umarmen

Kolumne "Karrierewege". Eine Krise ist der Zustand, wenn das Alte schon im Sterben liegt und das Neue noch nicht geboren ist.

Wer noch nie einen Winter erlebt hat, könnte meinen, dass die Welt zu Ende geht, wenn die Tage kürzer werden und die Temperaturen ständig sinken. Jeder Mensch mit etwas mehr Lebenserfahrung weiß hingegen, dass das alte Jahr geht und das neue kommt. Die kalte Jahreszeit ist nur ein Übergang, bis alles von Neuem zu blühen beginnt.

Viele Menschen, denen es nicht gut geht, empfinden den Ausspruch als zynisch, dass in jeder Krise eine Chance liegt. Tatsächlich bietet jede Krise eine Chance, aber nur für jene, die sich vom alten Denken und Handeln verabschieden können. Wer weitermachen will wie bisher, wird von den neuen Entwicklungen immer wieder enttäuscht und noch stärker in die Krise hineingetrieben.

Für einen Neuanfang sind neue, kreative Gedanken gefordert, die sich in erster Linie auf die eigenen Ressourcen besinnen. Wichtig ist nicht, was verloren gegangen ist, sondern was noch da ist. Eine Familie kam vom Kurzurlaub in Rom mit einer Tasse im Gepäck zurück: „I love ROMA“. Allerdings war das Souvenir eine billige Produktion aus China, und schon beim ersten Waschen im Geschirrspüler löste sich das „R“. So wurde aus der Tasse ein Geschenk für die Großmutter, die sich sehr darüber freute.

Fahrtraining unter schwierigen Bedingungen

Selbst wer nichts hat, kann aus einer Idee ein erfolgreiches Geschäftsmodell machen. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wurde Anfang der 1990er Jahre die Geschichte von cleveren Studenten aus Warschau erzählt. Die Straßen der polnischen Hauptstadt waren damals in einem schlechten Zustand, und normales Fahren war sehr schwierig.

Die jungen Leute ließen in Flugzetteln in Deutschland verbreiten, dass sie Fahrtraining unter besonders schwierigen Bedingungen anboten. Die deutschen Autofahrer liebten die Idee, da es so schlechte Straßen in Deutschland gar nicht gab. Sie kamen mit ihren Audi, BMW und Mercedes nach Warschau, um dort mit den Studenten die Hauptstraßen auf und ab zu fahren und zahlten dafür bereitwillig westliche Honorare. Das Business florierte mit lauter begeisterten Kunden, bis die Straßen schließlich saniert wurden.

Der Gedanke, dass früher alles besser war, hilft niemandem weiter. Dramatische Umwälzungen ganzer Industrien durch Internet und Social Media, wie anfangs durch Napster für die Musikindustrie, Tripadvisor für die Hotellerie und LinkedIn für die Personalberater, werden nicht mehr rückgängig gemacht. Wer am Alten hängenbleibt, geht langsam unter, und es überleben nur jene, die das Neue umarmen. Entscheidend für den Erfolg in Krisenzeiten ist die geistige Flexibilität und die Bereitschaft und Fähigkeit, alle paar Jahre komplett neue Wege zu gehen.

Conrad Pramböck ist Berater und Speaker zu Gehalts- und Karrierethemen. Er leitet bei der Personalberatung Pedersen & Partners den Geschäftsbereich Compensation Consulting.

Die gesammelten Kolumnen sind im neuen Buch "Karrierewege" erschienen. Der Reinerlös des Buchverkaufs kommt Pramböcks Sozialprojekt "Ein Kinderlachen verdienen" zugute.

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