Lieber besser streiten

Porträt. Philippe Narval ist Geschäftsführer des Europäischen Forums Alpbach, das heuer unter dem Motto „Konflikt und Kooperation“ steht. In seinem Team setzt er auf „Servant Leadership“.

Philippe Narval würde auch als Diplomat gute Figur machen. „Die Realität ist so konfliktgeladen, da sollten Führungskräfte mehr auf Kooperation setzen“, sagt er. „Umgekehrt sollen sie Konflikten nicht aus dem Weg gehen.“ Seit 2012 ist der 39-Jährige Geschäftsführer des Europäischen Forums Alpbach. Das heurige Forum, das von 16. August bis 1. September stattfindet, hat sich dem Motto: „Konflikt und Kooperation“ verschrieben.

Ein untrennbares Begriffspaar, das der Unternehmensberater, und Wirtschaftstrainer Niki Harramach als „KoKo“ zusammengeführt hat: Man könne nur mit jemandem konfligieren, mit dem man auch kooperieren könne. Konflikte erforderten, dass die Parteien oder Gegner etwas gemeinsam haben.

Und doch, sagt Narval, „fällt uns in Österreich Streiten schwer“. Kein Wunder: „Das Handwerkszeug, ein kooperatives Umfeld zu schaffen, wird in kaum einer Ausbildung vermittelt.“ Dafür lerne man viel über Strategie und Controlling. Daher, und um die Streitkultur zu verbessern, führt er heuer beim Forum die „Alpbach Debatte“ ein. Gestritten wird zum Thema „Globalisierung und Freihandel“ im Format der Oxford Union Debate, moderiert von Stephen Sackur, der auch das BBC-Format „HARDtalk“ präsentiert.

Feedback ernst nehmen

Philippe Narval, der Geschichte und Bildungswissenschaften am King's College London und in Oxford studiert hat, war über seine frühere Funktion als Programmverantwortlicher bei „Licht für die Welt“ mit dem Forums-Präsidenten und früheren EU-Kommissar Franz Fischler in Kontakt gekommen, der ihn letztlich auch als Geschäftsführer engagierte. „Wir sind ein gemeinnütziger Verein“, sagt Narval, „der marktwirtschaftlich geführt wird.“ Die Hälfte des Budgets speise sich aus den Teilnahme-Gebühren, der Rest komme von Sponsoren. Insofern sei es wichtig, (auf) die richtigen Themen zu setzen.

So wurde in Alpbach die Relevanz der Neurowissenschaften oder von Design Thinking diskutiert, längst bevor diese Themen von einer breiteren Öffentlichkeit aufgegriffen wurden. „Wichtig sind die Inhalte und die Ideen der Teilnehmer“, sagt Narval. Und genauso das Feedback der 700 jungen Stipendiaten. Denn eine entscheidende Kenngröße sei die Zahl der Teilnehmer, die weitere Male zum Forum kommen.

Um all das leisten zu können, brauche es im Kernteam, das während des Jahres 15, in der Phase der intensiven Vorbereitung 25 und während des Forums 100 Mitarbeiter umfasse, die entsprechende Kultur. Narval wählt auch hier einen diplomatischen Zugang. Dabei lehnt er seinen Stil an die von Robert Greenleaf beschriebene Philosophie des „Servant Leadership“ an. Das heiße, ein kooperatives Umfeld zu schaffen: kommunizieren, Stimmung und Stimmigkeit spüren und agil reagieren. Jeden Montag beginnt er das Teammeeting mit Fragen wie „Was hat Dich zuletzt inspiriert?“ oder „Was vom Wochenende beschäftigt Dich?“

„Es geht darum, als Mensch im Büro anzukommen“, sagt Narval. Einmal pro Monat gibt es zusätzlich eine spontane Feedbackrunde im Team. Jeder Mitarbeiter ist eingeladen, per Los einen anderen Kollegen zu ziehen und ihm zu sagen, was er an ihm schätzt. „Authentisch und natürlich, dieses positive Feedback wirkt ungemein motivierend.“ So entstehe eine Kultur der Wertschätzung.

Für ihn als Führungskraft heiße es, Menschen als Vorbilder zu finden, die ihrerseits Menschen an einen Tisch bringen. Und dann die Mitarbeiter nicht mit Nebensächlichkeiten zu beschäftigen.

Termine fix blockieren

Gefordert seien Führungskräfte heute auch ständig, Negativschlagzeilen auf Distanz zu halten, zumal über Social Media Negatives besonders leicht durchdringe – das aber werde selten thematisiert. Oder, sich selbst in einer optimistischen, positiven Haltung zu üben. „Daran“, sagt er, „muss auch ich jeden Tag arbeiten.“ Jede Führungskraft brauche daher eine bestimmte Praxis: egal ob das Kirche, Sport oder Meditation sei. Und Strukturen im Alltag, die unter anderem Beruf und Familie abgrenzen. „Da ist es wichtig, im Kalender Termine fix zu blockieren.“
Im Alltag. Und natürlich einmal im Jahr – für Alpbach.

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