In der Alge liegt die Kraft

Porträt. Nach 23 Jahren im Austrian Institute of Technology wechselte Silvia Fluch vor zwei Jahren in die Privatwirtschaft. Und baut derzeit ein gigantisches Glashaus für Mikroalgen.

Im Moment tut sich unglaublich viel in der Algenforschung. Endlich. Denn schon seit den 1950er-Jahren wird versucht, diese Ressource nutzbar zu machen. Schließlich wachsen Algen zehnmal schneller als Landpflanzen. Derzeit könnten noch nicht die benötigten Mengen produziert werden, um Diesel zu substituieren, sagt Silvia Fluch, Biologin und Geschäftsführerin des Biotech-Start-ups Ecoduna. Aber: „Wir arbeiten an einem exklusiven Verfahren, um großtechnisch Biomasse zu erzeugen.“

In Bruck an der Leitha versucht man, die Zukunft in die Gegenwart zu holen. Ecoduna investiert gerade 18 Millionen Euro in eine ein Hektar große Algenproduktionsanlage. Die erste in Österreich, für die derzeit gerade Aktien begeben werden. „Wenn die Vollproduktion angelaufen ist, werden wir 100 Tonnen jährlich produzieren.“ Schon jetzt können Omega-3-Fettsäuren im großen Stil hergestellt werden. Der Omega-3-Weltmarkt ist mit einem Volumen von rund 2,1 Milliarden Euro zukunftsträchtig. Gegenwärtig kann er nur durch Fischöl versorgt werden, dessen Produktion qualitativ wie quantitativ an seine Grenzen stößt. Stichwort: Überfischung der Meere.

Immer interdisziplinär

Fluch ist die treibende Kraft, dass im östlichen Niederösterreich massiv im Bereich Biomasse geforscht wird. Seit 2015 leitet die 51-Jährige das Unternehmen, das sie schon 2008 kennengelernt hat – als Leiterin des Ressourcenzentrums beim Austrian Institute of Technology (AIT). 23 Jahre war sie für Österreichs größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung tätig. Immer interdisziplinär. Immer mit neuen Technologien. Etwas, was ihr heute sehr zugutekommt. Denn auch bei Ecoduna hat sie es mit einem interdisziplinär zusammengestellten Team zu tun. „Ein Glashaus für Algen gab es noch nicht. Und kein Erfahrungswissen“, sagt sie. Um so wichtiger ist ihr, dass die rund 20 Mitarbeiter gutes Verständnis für viele unterschiedliche Wissensgebiete mitbringen.

Apropos Interdisziplinarität: Das Bildungssystem formt ihrer Meinung nach eher Spezialisten. Doch Erfindertum zeichne sich vor allem dadurch aus, dass Bekanntes neu zusammengeführt werde.

Zwischen den verschiedenen Berufen bzw. Ausbildungen, die ihre Mitarbeiter haben (Techniker, Mathematiker, Biologen, Flugzeugtechniker, Maurer etc.) gelte es, die Kommunikation in Schwung zu halten. Für Fluch kein Problem, denn „Kommunizieren zwischen den Welten ist eine meiner Stärken“. Da sei gefragt, Theorie in Anwendungen zu übersetzen und schwierige Inhalte in Form von Geschichten zu vermitteln. Etwas, was man auch an der Uni lernen könnte – mit der Betonung auf könnte –, wie es Fluch formuliert. Weil es für Wissenschaftler dazugehöre, ihre Ideen auch entsprechend verkaufen zu können.

Das sei auch die Grundlage, gute Entscheidungen zu treffen. Dank ihres interdisziplinären Zugangs laufen die wichtigen Prozesse über sie. „Ich bin ein Entscheidungsknotenpunkt“, sagt Fluch. Was aber nicht heißt, dass sie alles im Alleingang regle. Im Gegenteil, Entscheidungen würden zum Großteil im Team fallen. „Doch konsultatives Entscheiden, das braucht ein Basiswissen“, sagt die ausgebildete systemische Unternehmensentwicklerin. Als solche hat sie gelernt, mit dem System zu arbeiten.

Mit der Szene vertraut

Im AIT erarbeitete sie sich auch, wie man neue Strukturen aufbaut. Sie war es, die das Ressourcenzentrum zunächst als Business Case skizzierte und später auch realisierte. „Seit damals habe ich Kontakt zur Venture-Capital-Szene. Das war eine gute Schule“, sagt sie. 550 Aktionäre haben sie und ihr Managementteam mittlerweile auch für Ecoduna begeistert.

Der Wechsel vom AIT zu einem Start-up sei nicht durch die Rolle motiviert, Geschäftsführerin werden zu können, sagt Fluch, sondern wegen des Themas. Biologie sei, und das musste sie mehrfach erleben, grundsätzlich ein Feld, das zu wenig beachtet wird. Algen erst recht. Dabei, sagt sie, gäbe es Algen seit vier Millionen Jahren: „Heute werden 50 Prozent des Sauerstoffs von Mikroalgen produziert.“

Zur Person

Silvia Fluch (51) steht gemeinsam mit Johann Mörwald der Ecoduna AG vor, die in Bruck an der Leitha derzeit eine Algenproduktionsanlage errichtet. Diese soll im Vollbetrieb 100 Tonnen Algen pro Jahr produzieren. Die Biologin (Disseration zum Thema „Molecular Markers for Plant Genetic Analysis“) war vor ihrem Wechsel zu Ecoduna bis zum Jahr 2015 für das Austrian Institute of Technology (AIT) tätig, für das sie u. a. das Ressourcenzentrum Health & Environment aufbaute.

(Print-Ausgabe, 07.10.2017)

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