„Naive Fragen gibt es nicht“

Porträt. Klaus Maria Steinmaurer, Leiter der Rechtsabteilung bei T-Mobile, wechselte die Seiten und praktiziert drei Monate bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Von Michael Köttritsch

Üblicherweise beginnen Juristen nach ihrem Studium ihr Gerichtsjahr. Dieses fünfmonatige Praktikum ist Zugangsvoraussetzung für den Anwalts-, Notar- und Richterberuf – und für viele eine Überbrückung bis zum ersten Job. So startete auch Klaus Maria Steinmaurer in die juristische Praxis. Zwei Monate schlug er sich am Bezirksgericht mit kleinen Versicherungsfällen herum, ehe ihn Hofmann & Maculan Bau lockte. Zwei Jahre später wechselte der gebürtige Welser zu Max-Mobil (heute T-Mobile Austria), wo er den Rechtsbereich aufbaute. Dabei verantwortet er unter anderem auch das Thema Compliance. Er arbeitete am Telekommunikationsgesetz mit und wickelte den Kauf von Telering ab.

20 Jahre später unternahm der 45-Jährige einen Schritt, der für Juristen nicht üblich ist. Er ging zurück zu Gericht und schloss sein Praktikum ab. Der Geschäftsführung garantierte er, dass der Betrieb weiterlaufe, im Gegenzug verlegte sie Termine auf den späten Nachmittag.

Denn drei Monate lang schob Steinmaurer Doppelschicht: Von acht bis 15.30 Uhr arbeitete er als Rechtspraktikant in der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in der Wiener Dampfschiffstraße, ab 16 Uhr war er bis zum Abend im T-Mobile-Gebäude unterwegs, „um das Wichtigste und Notwendigste zu erledigen“. Möglich war das nur, weil ihn seine Mitarbeiter nach Kräften unterstützten: „Aber nach drei Monaten waren sie froh, dass ich wieder da war.“ Ein schönes Kompliment für einen Chef.

Gelungener Perspektivenwechsel
Selbstverständlich war es nicht so, dass er bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft arbeiten konnte. Er war der einzige Praktikant, denn diese sind mit den komplexen Fällen meist überfordert. Der erfahrene Wirtschaftsjurist aber nahm die Herausforderung an. Die beiden Richteramtsanwärterinnen, mit denen er ein Büro teilte, und seine ihn betreuende Staatsanwältin bat er, ihn nicht als Alien zu betrachten.

Steinmaurer bearbeitete Akten, nahm Vernehmungen vor, schrieb Protokolle und erhielt Feedback. „Wir haben viele Fälle diskutiert“, sagt er. „Ich habe versucht, die Unternehmenssicht einzubringen und aus dem Alltag zu erzählen.“ Staatsanwälte seien exzellente Juristen, sie hätten viel theoretisches Wissen, aber kaum Einblick, wie Prozesse, wie Entscheidungsfindungen in Unternehmen tatsächlich ablaufen – nämlich oft nicht so wie im Organigramm vorgesehen.

Für ihn selbst, sagt Steinmaurer, brachte der Perspektivenwechsel drei Einsichten. Erstens: Wer wie er eine Entscheiderrolle im Unternehmen bekleide, mache rasch eine Gratwanderung. Denn was subjektiv als das Beste für das Unternehmen erscheine, stelle sich objektiv mitunter als ungünstig heraus. Und dann liege leicht der Vorwurf der Untreue nahe, sagt Steinmaurer.

Bei Managern vermisst er oft die nötige Selbstreflexion. Einen Seitenhieb will er sich nicht verkneifen: Das äußere Erscheinungsbild mit Anzug und Krawatte sei uniform. Und wo es Einheitsbrei gebe, sagt Steinmaurer, werde nicht quergedacht. Darum setzt er gern einen Kontrapunkt und trägt seinen Steireranzug.

Was ihn sein Seitenwechsel zweitens gelehrt habe, sei Bescheidenheit. Für ihn war es eine gravierende Umstellung: Er musste bei der Staatsanwaltschaft etwa fragen, wenn er einmal eine Stunde früher gehen musste. „Ich bin seit 18 Jahren gewohnt zu delegieren“, sagt er. Und er musste Aufträge erfüllen. „Ich habe gesehen, was Mitarbeiter leisten und welche Betreuung sie daher brauchen.“

Drittens habe er großen Respekt vor den Mitarbeitern der Staatsanwaltschaft. „Das sind Spitzenleute, denen in Unternehmen alle Tore offen stehen.“ Oft werde ihnen vorgeworfen, langsam zu arbeiten. Aber, sagt Steinmaurer, einem Staatsanwalt sitzt ein öffentlich (ehemals) angesehener Beschuldigter gegenüber, der eine Batterie von Anwälten zur Seite hat, die jede Eingabe, jeden Beschluss so lang wie möglich bekämpften. Das koste Zeit und blockiere. Zudem würden den Staatsanwälten teilweise juristische Möglichkeiten und technische Ausstattung fehlen, um effektiver arbeiten zu können.

Ehrliche Antworten zahlen sich aus
Noch etwas hat Steinmaurer bei Gericht gemerkt: „Es ist immer sehr unangenehm, in einem Verfahren bei der Staatsanwaltschaft zu stecken“, sagt Steinmaurer, „auch wenn man nichts Falsches getan hat.“ Was er rät, ist einfach: „Gib immer die wahre Antwort. Versuche nicht, zu vertuschen oder zu verdrehen. Und geh davon aus, dass ein Staatsanwalt nie naive oder dumme Fragen stellt.“

Zur Person

Klaus Maria Steinmaurer (45) arbeitet seit 1996 für T-Mobile Austria und leitet dort den Rechts- und Regulierungsbereich. Zudem ist er für Compliance zuständig. Steinmaurer publiziert regelmäßig in den Bereichen Telekommunikationsrecht, Datenschutz und Konsumentenschutz. Weiters ist er Ko-Autor des bei Manz erschienen Kommentars zum Telekommunikationsgesetz 2003.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.