Weise Eule trifft junge Küken

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Generationen. Die Welt schreit nach Innovationen. Dass sich nur eine von hundert durchsetzt, liegt oft an der Unausgewogenheit der Teams. Deswegen sind Ältere auf einmal wieder gefragt.

Start-ups scheitern gar nicht so oft an den Marktverhältnissen oder am Produkt, beobachtet Whatchado-Gründer Ali Mahlodji im „Work Report 2019“ (sic) des Zukunftsinstituts. Sie scheitern am Team und seinen Unzulänglichkeiten. Daran, den richtigen Mix aus Dynamik, Erfahrung und Gelassenheit zu finden.

Deshalb, so Mahlodji, bereicherten Start-ups in kritischen Wachstumsphasen ihre Teams wieder mit erfahrenen Mitarbeitern, die neben ihrer fachlichen Funktion als Mentoren fungieren. Um „mit ihrer Lebenserfahrung die blinden Flecken zu sehen, die bei Tempo 180 gern übersehen werden“. Und um „mit ihrer Fähigkeit, Dynamik mit Wissen zu verbinden, jene Weisheit einzubringen, die normalerweise mit hohem Lehrgeld bezahlt wird“.

Die Älteren sind also wieder gefragt. Mehr als ein Jahrzehnt waren Männer ab 50 und Frauen ab 45 Jahren als digital unaffin und damit nicht zukunftsfähig gebrandmarkt. Jetzt entdeckt man sie wieder. Drei Formen der Zusammenarbeit bewähren sich besonders. ► Das Beste aus beiden Welten. Bosch nennt es sein Ageless-Konzept, Siemens Kompetenztandems: Ältere und Jüngere werden zusammengespannt, die einen bringen Wissen und Erfahrung ein, die anderen frische Ideen. ► Reverse Mentoring. Normalerweise ist der Mentor reif und der Mentee jung. Bei IBM, Henkel, Continental oder Allianz geht es auch umgekehrt: Der Junge weiß etwas (meist etwas Digitales), das der Ältere braucht. Neu und wichtig: Beide sind auf Augenhöhe. ► Lebende Bibliotheken. Daimler nennt sie Space Cowboys: Senior Experts, die aus der Pension geholt werden, um jungen Teams auf die Sprünge zu helfen. Den Seniors ist das mehr als recht. Einer Umfrage von seniors4success zufolge will ohnehin jeder zweite Pensionist beruflich aktiv bleiben.

Bewerbermarkt zu eng

So weit die Theorie. Wie sieht die Praxis aus? Auch Erwin Schmidt, Geschäftsführer der Personalberatung Aristid, erkennt Fortschritte. Seine Kunden akzeptierten inzwischen auch ältere Kandidaten, meint er. „Der Bewerbermarkt ist so eng, dass ihnen gar nichts anderes überbleibt.“

Dazu kommen manchmal eklatante Erfahrungslücken in jugendgetriebenen Unternehmen. Schmidt, selbst ein 60 plus, sah kürzlich „beim ersten Blick auf ein Organigramm“, was in diesem Unternehmen schiefläuft.

In einem anderen Unternehmen wussten die überwiegend jungen Abteilungsleiter nicht mehr weiter. Sie erkannten aus eigenem Antrieb, dass sie als Gegengewicht krisenerprobte Haudegen brauchten. Es schwangen aber auch Ängste mit. Was ist, wenn uns die Alten ausbooten? Schmidt pragmatisch: „Wer sich davor fürchtet, ist vielleicht selbst fehl am Platz.“

Trotzdem, die Ängste existieren. Karl Lang, Deputy Head of HR CEE bei Siemens, argumentiert in seinen Innovationsteams mit dem konzernweiten Gleichheitsgrundsatz. Dieser beziehe sich nicht nur auf das Alter und habe magnetische Anziehungskraft auf gute Kandidaten, sondern er wirke auch auf die handelnden Personen ein, sagt Lang: „Konkurrenzdenken hat keinen Platz. Es geht um das Team – und was es leistet.“

Oft vorgeschobenes Argument gegen Ältere sind vermeintlich inkompatible Gehaltsvorstellungen. Ein Lernprozess, findet Schmidt: „Wenn einer sagt, er sei sein altes hohes Gehalt gewohnt, sage ich ihm klipp und klar: ,Das wird es nicht mehr spielen.‘“

Lang lacht: Die Jungen frisch von der Uni hätten gelegentlich ebenso überzogene Forderungen. Weder da noch dort verlasse er seinen funktionsabhängigen Gehaltsrahmen, argumentiere hier aber mit Zusatzpackages (siehe dazu auch Seite K3). Bestehe etwa ein gestandener Manager auf einem berechtigten Dienstwagenanspruch, während alle anderen schon auf Fahrrad und Öffis umgestiegen seien, müsse das die Kollegen wenig kümmern: „Weil sie eine funktionsbezogene Mobilitätsprämie bekommen – und er nicht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2018)

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