Mangelberufe

Auch heute bleibt die Küche kalt

Marin Goleminov
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Mehr als 8000 offene Stellen können die Fremdenverkehrsunternehmen derzeit nicht besetzen. Besonders Köche sind gesucht – obwohl die ein gutes Image haben.

Bei Landgasthäusern überrascht ein Ruhetag, an dem der Betrieb geschlossen bleibt nicht – sofern es sich nicht um einen Sonntag handelt.

Überraschend hingegen war vergangenen Winter, dass manche Skihütten in bekannten und frequentierten Skigebieten einen Ruhetag eingelegt haben. Der Subtext zum Ruhetag-Schild an der Eingangstür war allerdings nicht „Wegen Reichtums geschlossen“, sondern „Wegen Personalmangels keine Bewirtung möglich“.

Auch die Wirtschaftskammer bestätig, dass es von Jahr zu Jahr schwieriger wird, Saisonkräfte zu finden. Auch wenn sich Unternehmen mit „großem Namen“ noch ein wenig leichter täten: Die Bereitschaft unter den österreichischen Arbeitskräften, für ein halbes Jahr anderswo zu arbeiten, schwinde zusehends.

Und das zieht sich zudem über alle Tätigkeitsbereiche in Gastronomie und Hotellerie, betrifft also nicht nur Abwäscher und Zimmerservice, sondern auch die vergleichsweise gut bezahlten Berufe wie Restaurantfachleute, Rezeptionisten und vor allem Köche. 220.139 Personen waren zuletzt im Tourismus beschäftigt, um 1.490 oder 0,7 Prozent als im Jahr davor.

Alleine in Wien gibt es aktuell rund 1600, in ganz Österreich mehr als 8000 offene Stellen. „Gut ausgebildete Bewerber haben die freie Wahl“, sagt Kathrin-Alenka Fleischer, General Manager Courtyard by Marriott Vienna Prater/Messe. „Sie bekommen nicht selten bis zu zehn Jobzusagen binnen kürzester Zeit, also innerhalb von drei bis fünf Tagen.“

In der Branche verwundert vor allem der Köchemangel: Denn Kochshows auf diversen Fernseh- und Social-Media-Kanälen finden viel Beachtung, und medial wird gut transportiert, wie man als Koch Karriere machen kann. Das zeigte sich am Medienecho über Österreichs ersten Drei-Sterne-Koch Juan Amador. Am Image, davon ist man überzeugt, kann es also nicht liegen.

Dieter Fenz, General Manager des Marriott Hotel in Wien, sagt, ein wesentlicher Faktor, warum es so schwer sei, potenzielle Arbeitskräfte anzuziehen, „ist sicherlich, dass für viele eine anscheinend nicht zufriedenstellende Work-Life-Balance und Wochenendarbeit abschreckend wirken“. Dazu kommt, dass Menschen nicht mehr gern „dienen“ und servicieren wollen. „Eine ausgeprägte Dienstleistungsgesinnung ist in unserer Branche aber unabdingbar.“

Ein weiteres gesellschaftliches Problem sieht Steirereck-Chefin Birgit Reitbauer: „Ist es wirklich sinnvoll, dass die meisten Eltern von ihren Kindern erwarten, dass sie maturieren und anschließend studieren?“ Sie bedauert, dass der Wert des Handwerkes in den vergangen Jahrzehnten so gefallen ist.

Chancen stärker aufzeigen

Die Hotellerie versucht noch stärker als die Gastronomie, die Arbeit mit Förderprogrammen für Mitarbeiter und Führungskräfte, flexiblen Arbeitszeitmodellen, Incentives und Benefits attraktiver zu gestalten. So rief der General Manager Council den Young Hotelier Award ins Leben, mit dem man junge Talente fördern und ihnen ein Karrieresprungbrett bieten möchte. „Aber wir müssen diese Vorteile wohl noch stärker nach außen kommunizieren, damit sie auch bei allen potenziellen Mitarbeitern ankommen“, sagt Fenz.

Fleischer sagt, „der Beruf muss sich mehr mit Familie und Freizeitinteressen der Mitarbeiter vereinbaren lassen. Flexible Arbeitszeitmodelle wie eine Drei- oder Vier-Tage-Woche sowie eine Anpassung des Lohnniveaus wären ein erster guter Schritt, um Schicht- und Wochenenddienste und damit verbundene längere Arbeitszeiten zu kompensieren.“

Zudem gelte es, im Bewerbungsprozess keine falschen Versprechungen zu machen. Beide Seiten sollten unmissverständlich ihre Vorstellungen offenlegen. Für Unternehmen bedeutet das, in eine langfristige HR-Strategie zu investieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2019)

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