Der Traumjob, den Sie nie bekommen werden

Psychologie. So schön haben Sie ihn sich ausgemalt, den Traumjob: sonnendurchflutetes Eckbüro, Applaus in den Meetings. Ganz falsch, sagt Psychologin Gabriele Oettingen.

Malen Sie sich doch einmal aus, wie toll Ihr erster Job sein wird. Das forderte die deutsche Psychologin Gabriele Oettingen 38 männliche Uni-Absolventen auf. In den lebhaftesten Farben, mit all ihrer Fantasie sollten die Probanden in Tagträumen über ihre künftigen Karriere schwelgen.

Zwei Jahre später kontaktierte Oettingen sie erneut und fragte nach, wie weit sie es gebracht hatten. Das überraschende Ergebnis: Je lebhafter sich die Probanden ihr Ziel ausgemalt hatten, desto erfolgloser waren sie im realen Leben. Sie hatten weniger Bewerbungen verschickt, weniger Interviews eingefädelt und weniger gute Jobs ergattert als die nicht so Fantasiebegabten – sofern sie nicht überhaupt arbeitslos waren.

Wer träumt, handelt nicht

Ziele visualisieren, positiv denken und unerschütterlich an die Zukunft zu glauben ist für die in Hamburg und New York lehrende Professorin ein Dogma des American Dreams: Doch was, wenn gerade solche rosaroten Tagträume der Realität im Weg stehen?

In der Folge variierte Oettingen ihr Experiment für zahlreiche Studien. Studierende, die für eine wichtige Prüfung lernten, sollten sich ausmalen, wie toll es wäre, am schwarzen Brett von einer guten Note zu lesen. Andere sollten visionalisieren, was sie in der nächsten Woche alles schaffen wollten.

Das Ergebnis war immer dasselbe: Je intensiver die Tagträume, desto schlechter das Abschneiden in der Wirklichkeit. Dabei fiel der Professorin auf, dass bei den Probanden der systolische Blutdruck (der erste Wert einer Messung, der angibt, wie stark das Herz pumpt) während der Visionalisierung sank.

Wer von einer Sache begeistert ist, dachte sie, dessen Blutdruck müsste doch in Erwartung einer Aktivität steigen. Ihre Schlussfolgerung: Tagträume beruhigen und rauben jene Energie, die zum Umsetzen nötig wäre. Außerdem täuschen sie dem Gehirn vor, das Ziel wäre schon erreicht. So nehmen sie ihm den Anreiz, es überhaupt anzupeilen.

Wunsch + Hindernis = Plan

Wie aber, so Oettingen weiter, können wir unsere Tagträume vor den Karren spannen, damit sie uns doch ans Ziel führen?

Wunschbilder haben ihren Ursprung im Nichtbewussten. Wenn wir sie in Kontrast zu den realen Hindernissen setzen, die der Verwirklichung im Weg stehen, hat die Professorin vermutet, schaffen wir eine Verbindung zwischen Wunsch und Wirklichkeit.

In mehreren Experimenten ließ sie Schüler und Studenten erst in Tagträumen zu einem bestimmten Ziel schwelgen. Dann sollten sie sich in gleicher Art die möglichen Hürden vorstellen. Die Kontrollgruppen sollten entweder nur schwelgen oder nur grübeln.

Tatsächlich erreichten jene Probanden deutlich mehr Ziele, die erst ihrer Fantasie freien Lauf ließen und sich dann die Hürden vorstellten. Mit einer wichtigen Einschränkung: Das Ziel musste machbar sein und die Probanden glauben, dass sie es erreichen können. Wer von Anfang an zweifelte, packte es gleich gar nicht an.

In ihrem Buch „Die Psychologie des Gelingens“ (Pattloch) leitet Oettingen ein Konzept ab, das sie mit zahlreichen Beispielen belegt. Sie nennt es Woop (Wish, Outcome, Obstacle, Plan bzw. Wunsch, Ergebnis, Hindernis, Plan).

  • Bequem hinsetzen, Augen schließen und auf einen Wunsch (W) konzentrieren.
  • Sich das gewünschte Ergebnis möglichst genau ausmalen (O).
  • Welche Hindernisse (das zweite O) stehen im Weg? Meist sind wir es selbst. Hier nicht mit den ersten Erklärungen zufriedengeben, sondern tiefer bohren (Warum ist das so?). Das kann ganz schön emotional werden, ist aber eine Erleichterung, wenn man den wahren Grund endlich gefunden hat.
  • Was ist zu tun, wenn das Hindernis auftaucht? Wenn-Dann-Pläne erstellen und aufschreiben (dieselben Worte benutzen).

Blindenhund für Sehende

Im Echtfall, so belegt Oettingen, spielen Bewusstes und Unbewusstes zusammen. Das nunmehr ebenfalls aktivierte Kognitive würde die Pläne zügig anpacken, das Unbewusste die Lösungen parat stellen, wann immer Hindernisse auftauchen. Oettingen vergleicht mit einem Blindenhund: kein Zaubermittel, aber nützlich, den richtigen Weg zu finden.

Die Methode soll vor Prüfungen und Präsentationen helfen, gegen Stress und Schmerzen, bei guten Vorsätzen und vielem mehr. Sie lässt sich überall praktizieren, im Flugzeug genauso wie vor dem Einschlafen. Und das Beste: Sie kostet keinen Cent.

(Print-Ausgabe, 30.04.2016)

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