Wie man Hochstaplern auf die Schliche kommt

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Gefälschte Lebensläufe. Die Digitalisierung macht es Bewerbern leicht, gefakte Karrierewege anzulegen. Sie macht es aber auch Personalisten leicht, ihnen auf die Spur zu kommen. Mit bösen Konsequenzen. Nicht nur für den guten Ruf.

Wir sprechen hier nicht von Bewerbern, die ihren Lebenslauf ein wenig behübschen. Die berufliche Stationen glattbürsten und kurze Perioden der Arbeitslosigkeit mit verlängerter Beschäftigung kaschieren. Ein übrigens „nahezu ausschließlich männliches Phänomen“, sagt Sören Buschmann, Consulting-Partner bei BDO.

Die Rede ist von tatsächlich gefälschten Lebensläufen. Klassiker (und oft Einstiegsdroge) ist der nicht vorhandene akademische Titel. Jemand begann vor Studienabschluss zu arbeiten, es fehlten nur noch wenige Prüfungen, das verheimlichte er seinem Arbeitgeber, führte fortan dessen Visitenkarten mit Titel und kam vor lauter Arbeit nicht mehr dazu, das Studium abzuschließen.

Gefälscht wird noch viel mehr: erfundene oder vertauschte Arbeitgeber (beliebt etwa IBM statt YLine), Hierarchieebenen, Führungsfunktionen und Auslandseinsätze. All das scheint meist plausibel und ist schwer nachzuprüfen.

Noch eine Stufe gefährlicher sind zur Gänze erfundene Lebensläufe. Hochstapler seien meist intelligente Menschen, beschreibt Buschmann, die auch in LinkedIn und Xing sorgfältig abgestimmte Profile führten. Sie beherrschten viele Tricks: etwa den, sich gleich zum Doppeldoktor zu ernennen. Ein Titel wird vielleicht noch überprüft, zwei glaubt man einfach.

Manche übertreiben es. Headhunter Buschmann erzählt von einem falschen Akademiker, der sich sechsmal bei ihm mit gleichem Namen, aber verschiedenen Titeln und Karrierewegen bewarb. Als er ihn darauf ansprach, verschwand er von der Bildfläche – auch im Internet, wo er von einem Tag zum anderen seine Spuren beseitigte (dem „Recht auf Vergessen“, das mit der kommenden Datenschutz-Grundverordnung noch gestärkt wird, sei Dank).

Rechtliche und andere Folgen

6000 Bewerbungen bekommt Buschmann pro Jahr. Ein bis zwei Promille, also sechs bis zwölf davon, sind Fälschungen. Das klingt nicht nach viel, würde aber schweren Schaden anrichten – auch an der Reputation der Personalberatung. Sie schützt sich mit einer eigenen Forensikabteilung: „Ein Bewerber, selbst wenn er nur schummelt, ist wohl kaum der Richtige.“

Rechtlich ist das Fälschen des eigenen Lebenslaufs keine Urkundenfälschung, erläutert Arbeitsrecht-Partner Matthias Unterrieder von der Kanzlei Wolf Theiss. Bei Zeugnisfälschung sehe das anders aus.

Ein gefälschter CV rechtfertige allerdings eine Entlassung, obwohl die Fälschung vor Abschluss des Dienstverhältnisses stattfand. Dasselbe gilt beim Verheimlichen einer rechtskräftigen Verurteilung (die Vorstrafe an sich stellt keinen Entlassungsgrund dar, aber deren Verheimlichung). In diesen Fällen trifft die Beweislast den Arbeitgeber.

Als Betrug strafrechtlich relevant wird die Sache, wenn durch die Täuschung jemand nicht oder nicht zu diesem Gehalt eingestellt worden wäre. Hier liegt die Beweislast beim Staatsanwalt.

Vorbeugen ist besser als bohren

Ob Eigenrecherche, Detektiv oder Forensiker beim Headhunter: Präventiv können Unternehmen eine Menge tun:

► Immer Pass und Originalzeugnisse vorlegen lassen, sich allerdings nicht darauf verlassen. Der falsche Doppeldoktor etwa hatte sich die Titel sogar im Pass eintragen lassen. Universitätsabschlüsse bei der Uni gegenchecken.

► Firmenbuch- („Ich war Geschäftsführer“) und Grundbuchabfragen bringen manchmal interessante Ergebnisse. Einmal, dass am Sitz der vorgeblich früheren Firma ein Konkurrenzunternehmen gemeldet war. Der Bewerber wollte als Spion ins Haus kommen.

► Referenzen zu kontaktieren ist wenig verlässlich. Hinter den Kontaktnummern sitzen oft Verbündete, die den falschen Lebenslauf bestätigen. Besser: eigene Kontakte beim früheren Arbeitgeber interviewen. Oder sich zu HR oder Geschäftsleitung durchfragen.

► Selbst eine Strafregisterbescheinigung (früher „Polizeiliches Führungszeugnis“ genannt) hat eine kleine Schwäche: Sie berücksichtigt keine laufenden Verfahren. So mancher Arbeitgeber erlebte bei der späteren Verurteilung eine böse Überraschung.

AUF EINEN BLICK

Das Fälschen des eigenen Lebenslaufes ist keine Urkundenfälschung, berechtigt arbeitsrechtlich aber zur Entlassung. Strafrechtlich relevant ist, wenn ohne die Täuschung jemand nicht oder nicht zu diesem Gehalt eingestellt worden wäre und dem Arbeitgeber somit ein wirtschaftlicher Schaden entstand.

► Schwer nachzuprüfen sind Auslandseinsätze, am ehesten durch eigene Niederlassungen vor Ort.

► Für den Bewerber entblößend, aber sehr wirkungsvoll sind Sozialversicherungsauszüge. Sie stellen zweifelsfrei fest, von wann bis wann jemand bei welchem Arbeitgeber versichert war. Und wann beim AMS.

► Eine gute Quelle ist auch der KSV1870. Oder will jemand einen verschuldeten CFO einstellen?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2018)

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