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Profiling für Beginner

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Serie „Verhandeln wie ein Profi“ (3/7). Wer ist eigentlich Ihr Verhandlungspartner? Und worauf reagiert er?

Ein norddeutscher Lebensmittelkonzern erhält ein Postpaket. Drinnen liegen drei unterschiedliche, sichtlich originalverschlossene Produkte des Konzerns und eine Aufforderung zur Zahlung von 500.000 Euro. Andernfalls würde der Erpresser wahllos weitere Produkte im Handel vergiften. Die Untersuchung der Proben zeigt eine lebensgefährliche Versetzung mit KO-Tropfen – trotz ungebrochener Originalverschlüsse.

Ein Profiler wird beigezogen und analysiert die Indizien, Brief, Proben und Verpackung.  Sein Täterprofil:  intelligent, gewissenhaft, strukturiert, detail- und objektverliebt, technisch hoch versiert. Der Erpresser wird gefasst: er ist angehender Doktor der Naturwissenschaft.

Profiler beginnen mit einer einfachen Analyse von vier Aspekten einer Persönlichkeit. Stellen Sie sich ein Achsenkreuz vor (siehe Bild).

  • Auf der senkrechten Achse stehen die Gegenpole aktiv (schnell, selbstbewusst, dynamisch, unerschrocken), und reaktiv (nachdenklich, gemäßigtes tempo, ruhig, methodisch, vorsichtig).

  • Auf der waagrechten Achse stehen die Gegenpole Fokus auf Menschen (emotional, aufgeschlossen, liebenswürdig, akzeptierend) und Fokus auf Objekte (objektiv, skeptisch, herausfordernd, hinterfragend).

Daraus ergeben sich vier Felder mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Achtung: Jeder Mensch trägt alle vier Grundzüge in sich. Sie sind nur unterschiedlich ausgeprägt.

1. Selbstbezogene Menschen sind proaktiv und personenbezogen. Sie sind umgänglicher als die Dominanten (4) und herzlicher als die Gewissenhaften (3), sind fröhlich, mitreißend, unterhaltsam und haben einen starken Hang zur Selbstdarstellung. Sie sprechen gern über Gefühle, Gedanken und Erlebnisse mit anderen Menschen. Nicolas Sarkozy ist ein typischer Vertreter.
Ein Selbstbezogener braucht Anerkennung und einen Verhandlungspartner, dessen Ego nicht zu ausgeprägt ist. Übertrumpfen Sie ihn nicht, bewundern Sie nur seine Leistung. Niemals darf er das Gesicht verlieren. Motivieren Sie ihn etwa damit, wie sehr sein Erfolg seinen Leuten imponiert.

2. Stetige Menschen sind reaktiv mit starkem Personenbezug. Sie sind loyal, hilfsbereit und sehr harmoniebedürftig. Typische Sprachmuster sind „Könnte, würde, sollte“ oder „Lassen wir uns mal gemeinsam nachdenken“, dazu Schachtelsätze und nachdenkliche, ruhige Körpersprache. Am Verhandlungstisch geben Stetige lieber nach als sich unbeliebt zu machen. Das macht sie zu einfachen Gegnern.

3. Gewissenhafte Menschen sind reaktiv mit Objektbezug, analytisch, faktenbezogen, pflichtbewusst, kühl und sachlich. Sie sprechen über Prozesse, Systeme, Aufgaben und Ziele - so wie Hillary Clinton. Menschen erwähnen sie nur anoynmisiert und entpersonalisiert. Loben Sie ihre Faktenkenntnis, werden Sie aber nicht persönlich. Die Beziehungsebene ist sekundär. Hier sind Verhandlungspartner gleichen Typus ideal.

4. Jetzt kommt der schwierigste Typus: Dominante Menschen sind proaktive Macher mit Objektbezug. Sie sind immer ergebnisorientiert, stürmen vorwärts und scheuen keinen Konflikt. Sie neigen zu Ungeduld und vertragen keine Kritik. Ganz klar: Donald Trump ist so ein Typ. Typische Sprachmuster: „Legen wir los“ oder „Genau jetzt…“ – kurze, knappe Sätze, von ungeduldiger Körpersprache begleitet.
Machen Sie sich vor einem solchen Alpharüden nicht klein, treten Sie aber auch nicht in Konkurrenz. Provozieren Sie nicht und befolgen Sie die Tit-fot-Tat-Regel (mehr dazu in Folge 5). Verhandeln Sie hart, sachlich und stellen Sie sich auf Wutausbrüche ein. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Gegenüber nie das Gesicht verliert. Fragen Sie ruhig mal: „Was würden Sie tun, wenn Sie auf meinem Stuhl sitzen?“ Er wird Ihnen antworten.

Am Verhandlungstisch begegnen wir noch einem weiteren Typus, dem dramatischen. Man mag ihn oder ist von ihm genervt. Oft sind das Paradiesvögel, überagitierend, nah am Wasser gebaut, offensiv. Nicht unterschätzen: Das sind perfekte Verkäufer mit eigenwilligem Touch. Rechnen Sie mit einer langen Beziehungsphase und viel Small Talk. Geizen Sie nicht mit Komplimente und seien Sie nachsichtig bei Details und Terminverspätungen. Niemals drohen.

Einen Selbsttest finden Sie hier. Die Seite gehört Thorsten Hofmann, dem Autor des Buches „Das FBI-Prinzip“, von dem die Anregungen zu dieser Serie stammen.

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