Aufmerksamkeit ernten: Der visualisierte Karriereweg

Grafisch aufbereitete Lebensläufe gelten als Zukunftstrend. Wie weit man mit Online-Tools kommt, wann es sich auszahlt, einen Profi anzuheuern, und wie Personalmanager auf die Ergebnisse reagieren.

In den Jahresausblicken internationaler Personalexperten fand sich diesmal ein neuer Punkt: visualisierte Lebensläufe, die Infografiken sowie kreative Farb-, Form- und Schriftwahl nutzen. Sie sollen eine bessere Übersicht bieten, vor allem aber Bewerbern helfen, aus der Masse herauszuragen. Die Möglichkeiten sind verlockend. Wer nicht übers Ziel hinausschießen will, sollte aber einige Punkte beachten. 

► Erste Schritte im Internet

Der Online-Dienst Vizualize.me bietet seit Kurzem die Möglichkeit, den eigenen Lebenslauf in wenigen Schritten in eine Infografik zu verwandeln. Im Netz haben die Ergebnisse bereits hohe Wellen geschlagen. LinkedIn-Nutzer können ihre Daten innerhalb weniger Sekunden übertragen, für alle anderen dauert das händische Kopieren der Karrierestationen einige Minuten. Danach steht eine Reihe von Individualisierungsmöglichkeiten zur Auswahl. Bislang ist das Konzept vor allem auf Online ausgelegt. Den CV in ein PDF zu konvertieren und ohne großen Aufwand auszudrucken wird erst in Kürze funktionieren. Bis dahin können Bewerber zusätzlich zu ihren herkömmlichen Unterlagen einen Link zur Vizualize.me-Seite schicken oder ihn auf der privaten Website integrieren.

► Profis können mehr

Die Visualisierungsmöglichkeiten beim Gratisdienst stoßen schnell an ihre Grenzen. Wer mehr erwartet und selbst kein großes gestalterisches Talent hat, muss sich an einen professionellen Grafiker wenden. Preislich sollte man hier mit einem niedrigen dreistelligen Betrag rechnen – also eher nichts für die Ferialjobbewerbung. Wenn es um die persönliche Traumposition geht, ist die Variante aber sicher eine Alternative. „Bislang habe ich noch keine entsprechende Anfrage erhalten. Einmal habe ich aber schon die Bewerbungsunterlagen für eine Führungskraft optimiert“, sagt die Wiener Grafikdesignerin Irene Persché. „Visualisierte Lebensläufe sind anders und ziehen sicher Aufmerksamkeit auf sich.“

► Kein unbegrenzter Spielraum

Persché rät aber zu Vorsicht: „Sehr viel gestalten kann man bei einem Lebenslauf nicht. Im Wesentlichen sind es Zeiträume und Kompetenzen.“ Wer hier übertreibt, läuft Gefahr, den Leser zu verwirren. Kritik übt sie beispielsweise an der Darstellung von Kompetenzen als Kreise in verschiedenen Größen. In Perschés Augen wären Quadrate viel besser, weil der Leser so die dargestellten Flächengrößen besser vergleichen kann. Was ist verständlich und sinnvoll illustriert? Wo liegt der Unterschied zwischen einem kreativen Blickfang und einem bunten Verwirrspiel? Der Rat eines Profis ist in solchen Fragen Gold wert.

► Feedback der HR–Manager

Bislang sind es vor allem Bewerber in der Kreativwirtschaft, die ihre Fähigkeiten schon anhand des Lebenslaufs unter Beweis stellen. „Bewerbungen in dieser Form kommen immer wieder und in letzter Zeit vermehrt“, sagt Alice Hudler-Wagner, bei der Werbeagentur Demner, Merlicek & Bergmann für den Bereich Personal zuständig, derzufolge das derzeit noch eine Möglichkeit ist, sich von der Masse abzuheben: „Die Frage ist, wie lange noch. Denn wenn drei dieser Art am Tag kommen, wird es schon wieder langweilig.“

In der Industrie ist das Thema noch Neuland: „Derartige CV haben wir noch nicht erhalten“, sagt Angelika Hanke, Recruiting-Verantwortliche beim Feuerfest-Konzern RHI. „Das ist eine gute Möglichkeit, seinen Werdegang übersichtlich darzustellen und schnell die Aufmerksamkeit auf die relevanten Skills zu lenken.“ Beim Blick auf einige Beispiele bemängelt Hanke aber die Unvollständigkeit: Man müsse die Zeiträume mit genauem Datum nachvollziehen können.

Auch bei der Bank Austria sind noch keine visualisierten Lebensläufe eingelangt. „Grundsätzlich ist das ein probates Mittel, auch als Arbeitsprobe“, sagt Personalvorständin Doris Tomanek. „Der Lebenslauf muss aber einfach und übersichtlich bleiben.“ In dieselbe Kerbe schlägt Joachim Burger, Geschäftsführer Personal bei T-Mobile Austria, der bereits einige Beispiele aus der Praxis kennt: „Das Wichtigste bei einem Lebenslauf ist für einen Personalisten die Übersichtlichkeit. Nicht jeder visualisierte Lebenslauf, der bei uns eingelangt ist, hat dieser Anforderung entsprochen. Aber ein gut gemachter CV als Infografik bekommt sicher noch einen kleinen Aufmerksamkeitsbonus.“   

► Vorgaben einhalten

Es spricht nichts dagegen, diesen Bonus zu nutzen – sofern in der Ausschreibung nicht dezidiert ein genormter CV verlangt wird. Und solange die wichtigsten Rahmenbedingungen für jeden Lebenslauf eingehalten werden: Der Personalverantwortliche muss auf den ersten Blick die letzten Karriere- und Ausbildungsstationen erkennen und klar nachvollziehen können, wo man für wie lange in welcher Funktion tätig war.

Vielen visualisierten CV aus dem Internet fehlt das im angelsächsischen Raum unübliche Foto. Hierzulande wird ein seriöses Bild erwartet. Hält man sich an die Basics, kann man mit einer gut visualisierten Umsetzung punkten. Von unerklärlichen Lücken oder einem überlangen Studium wird das Dokument trotzdem nicht ablenken. Hier helfen nur traditionelle Mittel: ein überzeugendes Motivationsschreiben und authentisches Auftreten beim Bewerbungsgespräch.

► Beispiele

Lebenslauf des amerikansichen Social-Media-Spezialisten Hagan Blount, der auch visualisierte Lebensläufe für Kunden erstellt.

Bjorn Austraat

Die Variante des Management-Beraters Bjorn Austraat.

"Die Presse"-Infografik (GK)


Musterlebenslauf, erstellt von der "Presse"-Infografik, nach einem Vorbild von Vizualize.me.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2012)

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