Wie man eine Marke digitalisiert

Porträt. Klaus Fassbender war der erste Nichtfranzose, der in Paris die Marke L'Oréal Paris als Brand General Manager leiten durfte. Jetzt treibt er die Digitalisierung in Österreich voran.

Seit 21 Jahren ist Klaus Fassbender (52) beim Kosmetikriesen L'Oréal. Nur ein Jahr nach seinem Onboarding wurde ihm die Markenführung anvertraut – ihm, einem Deutschen, dem ersten Nichtfranzosen in dieser Position überhaupt. Dabei war er eigentlich für die internationale Expansion engagiert worden.

2004, in seinem achten Jahr, war es soweit. Der Generaldirektor persönlich schickte ihn nach Asien, nach Korea, weil er dort mit seiner Persönlichkeit gut hinpasse: strukturiert, organisiert, langfristig denkend. Doch manche Facetten entdeckte er erst vor Ort. Eben war der koreanische Kreditkartenmarkt geöffnet worden, die Verbraucher beschafften sich möglichst viele Karten und gaben Geld aus, das sie nicht besaßen. Der Breitenmarkt brach ein. Was machte Fassbender? Er holte die zu L'Oréal gehörende Luxusmarke Kiehl's nach Korea und erschloss eine Zielgruppe, die genug Geld hatte.

2010 zog er weiter nach Japan. „Japan ist ein schwieriges Land“, sagt er anerkennend. Japanerinnen würden sich mit Kosmetik auskennen wie niemand sonst. Zwölf Produkte zur Tagespflege benutzten sie im Schnitt, Europäerinnen im Vergleich nur drei. Beratung und Service spielten eine große Rolle. Und Details: die Verpackung, die Farbe der Creme, ihre Textur, das Geräusch des Deckels beim Öffnen. Was in Japan funktioniere, funktioniere auch im Rest der Welt.

Digitale Begegnungszonen

Nun hat Fassbender eine neue Mission: die Digitalisierung in Österreich voranzutreiben. Gedanklicher Ausgangspunkt sei die Konsumentin, sagt er, die bei ihrem Tagesablauf digital begleitet werde: beim Blick aufs Smartphone, wenn sie sich auf der App „Make-up Genius“ ansehe, welcher Schminkstil ihr am besten passe, die Produkte dafür online ordere und später bewerte. Wenn sie sich im Geschäft die Bewertungen anderer Konsumentinnen für ein Produkt ansehe und danach entscheide. Wenn sie daheim ein „How to“-Tutorial herunterlade und Schminktipps studiere.

Es gäbe so viele digitale Ideen, sagt der Österreich-Geschäftsführer, nicht aber die Budgets dafür. Die Gefahr, sich zu verzetteln, sei gewaltig. „Wir brauchten eine Roadmap für die wichtigsten Touchpoints. Und wie tief wir in die Personalisierung einsteigen.“
Zuerst aber schwor er die Mannschaft auf die neuen Zeiten ein. 20 Prozent E-Commerce sind das weltweite Ziel, zu erreichen in den nächsten drei bis fünf Jahren. Da muss jeder lernen, digital zu denken: „Als ich in Österreich ankam, gab es einen Head of Digital. Jetzt hat er unter sich vier Spezialisten. Die betreuen unsere vier Divisionen mit allen 30 Marken.“
Zeitgleich bettete Fassbender die digitale Denkweise in die Firmenkultur ein und ließ alle Mitarbeiter „upskillen“: „Damit wir in dieselbe Richtung marschieren.“

Bei jeder Digitalaktivität in Richtung Konsumentin fallen Daten an, die ein immer präziseres Profil ergeben. Dieses Wissen wird für personalisierte Angebote genutzt – mit dem Ziel, die Kundin fest ans Unternehmen zu binden: „Wir wollen Marken zu Love Brands machen“, sagt Fassbender, „mit hohem Engagement und großer Verbundenheit.“
Früher einmal, erinnert er sich, da wurde ein neues Shampoo im Handel platziert und mit Fernseh-, Radio- und Printwerbung breit beworben. Heute wisse man genau, wie man online wen erreiche. Dann müsse man nur noch entscheiden, welchen Inhalt man ihm auf welchem Kanal liefere und wie tief man dabei ins Detail gehe (Stichwort beschränkte Budgets).

Mehr als ein Blatt Papier

Auch der Handel pflege seine Seiten, für die man ihn mit relevantem Content beliefern müsse: „Er erwartet zu Recht, dass wir gemeinsam für Traffic sorgen.“ Das geschehe über abgestimmte Aktionen. „Neben dem Key Account Manager wird es einen E-Key Account Manager geben“, meint Fassbender, „er spielt dem Handel die Kunden über die Digitalmedien zu.“
Eine Marke sei für ihn längst nicht mehr das, was jemand auf ein Blatt Papier geschrieben habe. Sondern das, was die Kunden digital wahrnehmen: „Eine Marke ist, was man im Web sieht.“

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