Wo ein Ziel ist, entsteht auch ein Weg

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Auf zum Traumjob. Folge 2. Sind Karriereziele heute überhaupt noch zeitgemäß oder ist es mittlerweile eher chic, effektvoll und grandios zu scheitern.

Mal ehrlich, wer von uns kann das Wort Ziele heute überhaupt noch hören bzw. darüber lesen, nachdem wir in den vergangenen Jahrzehnten mit Seminaren, Büchern, Videos etc. zu diesem Thema überflutet worden sind. Das Wort ist mittlerweile semantisch verbraucht, das bedeutet: Seine Verwendung erzeugt kaum noch Wirkung bei uns. Mit anderen Worten: Ziele lassen uns schlicht und einfach kalt.

Und warum sollten wir uns Karriereziele setzen und diese dann mühevoll und konsequent über viele Jahre verfolgen, wenn uns doch tagtäglich suggeriert wird, dass wir uns doch einfach ausprobieren sollen. Unausgegorene Ideen, halbfertige Produkte und wenig durchdachte Dienstleistungen, die auf den Markt geworfen werden, um sie dann mithilfe der Kunden weiterzuentwickeln. Und wenn es nicht funktioniert, gibt es immer noch die Möglichkeit unser Scheitern auf der nächsten Fuck-up-Night als Speaker zu vermarkten, also quasi frei nach dem Motto „Reste verwerten“.

Sollen wir nach dem Modell trial and error auch beim Aufspüren unseres Traumjobs vorgehen und unsere Kompetenzen mal einfach so auf den Arbeitsmarkt werfen, mal schaun wer uns anheuert und wenn es nicht passt dann ziehen wir nach kurzer Zeit einfach weiter. Vor allem dann, wenn ich schon einiges an Berufserfahrung gesammelt habe und ich schon in einer gewissen Position bin. Und das wiederholen wir so lange bis wir schlussendlich bei unserem Traumjob angekommen sind.

Woran erkenne ich überhaupt ein „echtes“ Karriereziel?

Nach all den unzähligen Seminaren, Büchern und Videos, die in den vergangenen Jahrzehnten veröffentlicht wurden, passiert es noch immer allzu oft, dass die Messkriterien zur Zielerreichung mit dem eigentlichen Ziel verwechselt werden. Messkriterien sind natürlich auch wichtig wenn es darum geht, zu erkennen wann ich in meinem Traumjob angekommen bin. Ein gängiges Messkriterium ist das Gehalt, welches monatlich auf meinem Konto erscheint. Nichts desto trotz, Messkriterien sind nicht das Ziel an sich. Um von einem „echten“ Karriereziel zu sprechen, sollten folgende Fragen beantwortet sein:

  1. Welche Ressourcen stehen mir zur Verfügung, um mein Ziel zu erreichen?
  2. Welche Hindernisse können mir auf meinem Weg dahin begegnen?
  3. Welchen Nutzen ziehe ich aus meiner aktuellen Situation bzw. wenn ich mich nicht in Richtung Ziel bewege?
  4. Wenn ich mein Ziel erreicht habe, welche Aufgabe wartet dann als nächstes auf mich?

Was jetzt noch fehlt ist eine genaue Beschreibung des Zielzustandes, wohlgemerkt drehbuchartig konkret, das bedeutet, dass mit ihren Zustandsbeschreibung ein Schauspieler in der Lage ist, ihr Verhalten wie nach einem Drehbuch, nachzuspielen. È voila schon haben Sie ihr „echtes“ Karriereziel.

Karriereziele verfolgen und trotzdem Neues ausprobieren

Wie finden sie in diesem Zusammenhang die richtige Mischung. So was wie eine goldene Regel gibt es hier meines Erachtens nicht. Auch die Lebensphasen geben nur einen begrenzten Anhaltspunkt, wann mehr vom Einen, also konsequent ein Ziel verfolgen, und wann mehr von Anderen, also trial and error gefragt ist. Dazu gibt es mittlerweile einfach zu viele unterschiedliche Lebensmodelle, die gut funktionieren. Und auch als 40+ und 50+ darf heute noch nach Belieben ausprobiert werden. Die meisten Rückschlüsse diesbezüglich lässt die eigene Persönlichkeit zu, also welcher Typ man grundsätzlich ist. Um das herauszufinden sind Persönlichkeitstests sehr hilfreich. Damit bekommen Sie eine sehr facettenreiche Rückmeldung zu Ihren Persönlichkeitsmerkmalen und auch gute Anknüpfungspunkte wenn es darum geht wie experimentierfreudig Sie letzten Endes sind.

Aussagekräftig sind derartige Testverfahren allerdings nur, wenn sie in Zusammenhang mit einem professionell geführten Feedbackgespräch eingesetzt werden. Dann wird daraus ein echtes persönliches Profiling. Neben dem persönlichen Profiling können Sie natürlich auch mit Selbst- und Fremdbeobachtung gute Ergebnisse erzielen. Einfach mal den Partner oder Freunde diesbezüglich befragen und sich im Alltag selbst beobachten wie Sie auf Neues reagieren.

Folgendes noch zum Abschluss und zwar höre ich sehr oft die Phrase: „Und wenn es nicht das Richtige für mich ist, dann kann ich ja kündigen und wieder was anderes machen.“ Hinter dieser saloppen Formulierung steckt mehr Sprengkraft als sich auf den ersten Blick vermuten lässt. Und natürlich mag dies für resiliente Persönlichkeiten durchaus zutreffen. Mal kurz geschüttelt und dann geht’s weiter mit der nächsten Aufgabe. Traumjobs nach Fließband produzieren sozusagen. Weniger resilienten Persönlichkeiten kann eine Scheitersituation allerdings länger zu schaffen machen als ihnen lieb ist und der Selbstwert kann mitunter empfindlich darunter leiden. Auch trial and error will gelernt sein. Hilfreich ist es, mal vorwegzunehmen, wie es sich anfühlt, wenn die ganze Sache vielleicht daneben geht. Dann lässt sich schnell feststellen, ob es sich um eine lohnenswerte Erfahrung handelt oder auch nicht. Also dann – viel Freude beim Ausprobieren.

Gutes Gelingen!

Michael Hanschitz
Michael HanschitzHanschitz

Michael Hanschitz ist seit nunmehr 15 Jahren als New/Outplacementberater, Autor und Karrierecoach tätig. Er ist Gründer des Beratungsunternehmens Outplacementberatung (www.outplacementberatung.co.at) und Autor des Buches Menschen fair behandeln. Mit seiner Arbeit unterstützt er Menschen und Organisationen in schwierigen Veränderungsprozessen. Beraten mit Herz und Verstand lautet seine Devise.

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