„Die Digitalisierung kostet keine Jobs“

(c) Martina Draper
  • Drucken

Beratung. So viele Trends, so viel Verunsicherung. Accenture-Chef Michael Zettel sagt, warum sich niemand sorgen muss, was Digital mit Wohlfühlen zu tun hat und wie man sich aufrüstet.

Früher kamen Trends einzeln daher, immer einer nach dem anderen. So wie etwa das (eher fatale) Shareholder Value Management, das erst Jahre später von Stakeholder Value Management abgelöst wurde.

Heute prasseln Dutzende Trends auf Führungskräfte und Mitarbeiter ein. Alle gleichzeitig. Digitalisierung, eh klar, unterteilt sich in künstliche Intelligenz (KI), das Internet of Things (IoT), Robotik, Sensorik, Sprachverarbeitung, Big Data, Blockchain, die Cloud und viele mehr. Dazu das neue organisatorische Paradigma Agilität, unterteilt in Methoden wie Design Thinking, Scrum, Kanbas und wie sie alle heißen. Wer soll sich da noch auskennen?

Außen und innen getrennt

Fragen wir einen Consulter. Wird Accenture-Geschäftsführer Michael Zettel mit solcher Begriffs- und Entscheidungsverwirrung konfrontiert, geht er pragmatisch vor. Erste Frage: Kennt das Management schon die künftige Strategie, sucht aber noch die passende Technologie? Oder sucht es beides?

Im schwierigeren zweiten Fall unterteilt Zettel in Bereiche außer- und innerhalb des Unternehmens und fragt weiter. Für außen: Wie lässt sich mit digitalen Mitteln ein besseres Kundenerlebnis schaffen? Welche Produkte und Dienstleitungen können so verbessert werden? Welche neuen Geschäftsmodelle resultieren daraus?

Für innen: Wie lässt sich mit digitalen Mitteln ein besseres Mitarbeitererlebnis schaffen? Wie können Digitalisierung und Automatisierung die Mitarbeiter unterstützen? „Dass der Mensch im Mittelpunkt stehe, wird schon lang behauptet“, sagt Zettel, „jetzt meint man es ernst.“ Weniger aus Altruismus, sondern weil die Arbeitskräfte knapp werden. Es gibt schlicht zu wenige Qualifizierte. Deswegen koste die Digitalisierung keine Jobs, ist der Consulter überzeugt, sondern schaffe neue: „Sie wird uns nur von repetitiven, unproduktiven Tätigkeiten befreien.“ Im Managementjargon heißt das: Weg von den transaktionalen Tätigkeiten hin zu den wertschöpfenden. Für Normalsterbliche: Wer schreibt schon gern Reports?

Eher unerwartet ist die Digitalisierung ein zutiefst emotionaler Ansatz. Zettel: „Es geht ums Wohlfühlen.“ Kunde bzw. Mitarbeiter müssten sich auf ihrer Customer- oder Employee-Journey wohlfühlen, damit sie kaufen bzw. bleiben. Also vergleicht man für beide Zielgruppen Ist- und Soll-Zustand und entwickelt neue Geschäftsmodelle, die die Kluft schließen. Erst dann stellt sich die Frage nach der Technologie, ob KI oder Blockchain, ob Big Data oder IoT. Niemals darf die Digitalisierung Selbstzweck sein.

Eines wird der beste Consulter dem Geschäftsführer nicht abnehmen: eine digitale Vision zu entwickeln und seine Teams damit zu befruchten. „Das ist die Verpflichtung des Geschäftsführers. Jeder Mitarbeiter muss sich auskennen, was das heißt, wenn das Unternehmen digital wird. Wie er dann arbeiten wird. Wie sein Job in zwei Jahren ausschaut. Dann hat er auch keine Angst mehr.“

Wo man sich Wissen herholt

Dann weiß er auch endlich, in welche der vielen Richtungen er sich weiterbilden soll. Die (Überlebens-)Notwendigkeit von digitaler Weiterbildung ist inzwischen breit akzeptiert, will man auch in zehn Jahren noch beschäftigbar sein. Doch die Menschen sind unsicher, was genau sie sich anschauen sollen, weil sie die vielen Trends verwirren. „Unbedingt künstliche Intelligenz“, rät Zettel. Tiefergehend dann entsprechend des jeweiligen Berufsfelds: Industrie 4.0 für die Produktion, Big Data für Finance und die digitale Customer-Journey für Marketing und Verkauf.

Ein Studium ist dafür nicht unbedingt nötig. Fürs Erste genügen niederschwellige Online-Angebote. Einfachstes Beispiel: Bei Hour of Code (hourofcode.com) finden sich kostenlose einstündige Programmiertutorials für jedermann. Kostenlos sind auch die Kurse der Khan Academy und von Coursera. Ebenfalls eine Riesenauswahl haben Udacity und Udemy. Am Wichtigsten jedoch: Niemals aufhören zu lernen.

AUF EINEN BLICK

Die Digitalisierung verwirrt mit einer Vielzahl von Trends, Technologien und Methoden. Niemals darf sie Selbstzweck sein. Erst muss die Geschäftsleitung ihre Teams mit einer digitalen Vision begeis-tern, dann werden Customer-Journey (nach außen) und Employee-Journey (nach innen) digital optimiert. Lebenslanges Lernen ist dabei ein Muss. Mitarbeiter können es sich – wenn es denn nicht vom Unternehmen ermöglicht wird – in vielen teils kostenlosen Onlineplattformen selbst organisieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.