Auf den Hund gekommen

Stressreduktion. Der beste Freund des Menschen am Arbeitsplatz polarisiert: Befürworter argumentieren mit den positiven Auswirkungen aufs Klima, Gegner bringen Berührungsängste oder gar Allergien ins Spiel.

Einen Hund zu streicheln oder gar mit ihm zu schmusen kann Stress abbauen und Trost spenden, freudiges Schwanzwedeln zur Begrüßung kann das Eis brechen. Wissenschaftliche Nachweise für die positiven Effekte vierbeiniger Kollegen am Arbeitsplatz erreichen uns seit 2000 aus Übersee: Bonnie Beaver, Professor der Texas A&M University, konstatierte, dass sie die Performance verbessern, für Ruhe und Freude sorgen können und von Mitarbeitern als Benefit gesehen werden.

Blutdrucksenker

2001 kamen Forscher an der Buffalo University New York nach einer Untersuchung unter Börsenmaklern mit Katze oder Hund und solchen ohne zu dem Ergebnis, dass die Anwesenheit von Haustieren den Blutdruckanstieg in Stresssituationen halbierte. Der Grund: Haustiere lassen das Herz ruhiger schlagen, dämpfen Nervosität und fördern soziale Kontakte.

In unserer komplexen globalisierten Wirtschaft, in der immer länger gearbeitet wird, ist es für Hundehalter eine deutliche Lebenserleichterung, wenn sie ihren Vierbeiner mit ins Büro nehmen können. Andernfalls müssten sie Tagesplätze für ihr Tier organisieren, es sei denn sie haben einen Partner, der von zu Hause aus arbeitet, oder seinerseits den Hund mit ins Büro nehmen darf.

Bei Google gibt es sogar eine weltweit gültige Dog-Policy, nach der Hunde grundsätzlich in jeder Abteilung willkommen sind. Dass gassi- und fütterungszeitbedingte pünktliche Heimkehr ausbleibt, gerät schließlich auch Arbeitgebern zum Vorteil. Am 1997 in North Carolina eingeführten „Take your dog to work day“  beteiligten sich damals 300 Unternehmen, 2005 waren es bereits 10.000. Seit 2007 gibt es unter dem Titel „Kollege Hund“ auch in Deutschland den alljährlichen tierischen Schnuppertag, zu dem 2012 bereits mehr als 1000 Firmen aufgerufen haben. In Wien setzt sich das „Unternehmen Hund“, eine Initiative zur Förderung von Hunden am Arbeitsplatz, für mehr Akzeptanz der vierbeinigen Kollegen ein.

Schriftliche Daueraufenthaltsgenehmigungen für die vierbeinigen Kollegen sind bislang allerdings selten. Allenfalls können sie auf „bis auf Widerruf“-Rechte pochen oder kommen gar als blinde Passagiere an Bord. Dazu Günter Köstelbauer, Arbeitsrechtsberater in der Arbeiterkammer (AK) Wien: „Grundsätzlich gilt: Erlaubt ist, was nicht explizit verboten ist.“ Gibt es keine schriftlichen Regelungen, empfiehlt der Jurist, den Chef vor der Mitnahme eines Vierbeiners um Genehmigung zu bitten. „Ohne vorherige Abmahnung stellt Hundemitnahme aber auch noch keinen Entlassungsgrund dar.“

Köstelbauer erinnert sich auch an einen Fall, in dem die Fellträger den Arbeitgebern zum „Verhängnis“ geworden sind: „Nach der Anschaffung einer neuen Klimaanlage schwirrten die Haare der vierbeinigen Unternehmerbegleiter nur so in der Luft herum. Ein Mitarbeiter entwickelte daraufhin eine Allergie, in deren Folge er frühzeitig aus dem Unternehmen austreten musste. Trotz Selbstkündigung bei Wahrung voller Ansprüche!“

In der Arbeiterkammer selbst war Hundemitnahme bis zu einem ähnlichen Anlassfall geduldet. Inzwischen herrscht ein generelles Verbot mit einer einzigen Ausnahme für einen Blindenhund.

Ein anderer Fellträger hingegen hat sich in der Interessenvertretung der Arbeitnehmer Kost und Logis „erschnurrt“: „Vor Jahren ist uns in der AK ein Kater zugelaufen. Er ist zwischen den Warteschlangen herumgestrichen und hat sich auch streicheln lassen. Wegen der positiven emotionalen Auswirkungen seiner Anwesenheit auf Parteien und Belegschaft, richteten wir ihm dann Schüsseln und Kisterln ein“, erinnert sich Köstelbauer.

Als die Sehnsucht nach einem vierbeinigen Begleiter übergroß wurde, fragte die Admission Managerin Lydia Goutas bei ihrem damaligen Arbeitgeber, der Webster University an, ob sie den Caniden auch ins Büro mitnehmen dürfte. Die Antwort fiel positiv aus, andernfalls hätte sich die in Wien lebende New Yorkerin ihren sehnlichen Wunsch weiterhin versagt. Als Emily, ein dunkelbrauner Boykin Spaniel von der Sorte Gemüt, die nicht einmal einer Fliege ein Haar krümmen würde, ein paar Monate alt war, änderte sich dann die Dog-Policy des Unternehmens.

Lydia Goutas wechselte den Job und heuerte bei der Personalberatung Lehner Executive Partners (vormals Plaut) an. Das war Mitte der 1990er-Jahre. Die Spanieldame begleitete ihr Frauchen bis zum Sommer 2012 täglich ins Büro. Unter Tränen bedankte sich die Headhunterin bei Unternehmensgründerin Gabriele Lehner mit den Worten: „Das werde ich dir mein ganzes Leben lang nicht vergessen, dass Emily bis zu ihrem letzten Tag hier sein durfte.“

Alternde Hunde


Wahrlich keine Selbstverständlichkeit, denn auch in hundefreundlichen Unternehmen macht der Jugendkult nicht halt vorm Vierbeiner: Das Aufregungslacki eines Welpen wird schließlich eher toleriert als Urinverlust infolge altersbedingter Inkontinenz.
Und wohl unbestritten ist auch die Tatsache, dass greise Hunde naturgemäß optisch und olfaktorisch nicht unbedingt höchste ästhetische Anforderungen erfüllen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2013)

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