Außeruniversitäres Engagement: Unentgeltlich, aber nicht umsonst

Gunther Fürstberger, Rita Kaufmann-Linke, Wolf Heinrich Reuter, Evelin Mayr, Werner Weingraber und Bernhard Wundsam (v.l.n.r.).
Gunther Fürstberger, Rita Kaufmann-Linke, Wolf Heinrich Reuter, Evelin Mayr, Werner Weingraber und Bernhard Wundsam (v.l.n.r.). (c) Die Presse (Teresa Zötl)
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Vier von fünf Studenten arbeiten ehrenamtlich und absolvieren damit das Trockentraining für den erfolgreichen Berufseinstieg. Die Mehrfachbelastung hat aber auch ihren Preis.

Werner Weingraber war 2001 Leiter eines Teams von über 100 Mitarbeitern und zeichnete für zehn Millionen Schilling Budget verantwortlich. Der damals 23-Jährige war allerdings nicht, wie man vermuten könnte, Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens, sondern Vorsitzender der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) an der WU Wien. Nach dem Studium avancierte Weingraber zum Assistenten des CEO bei der börsennotierten Teletrader AG, wo er nun im Österreich-Vertrieb knapp 60 Prozent des Unternehmensumsatzes verantwortet. „Die ÖH-Zeit war prägend und für meine weitere Karriere unglaublich wertvoll“, erklärt Weingraber. Sind außeruniversitäre Aktivitäten also ein entscheidender Karriere-Turbo für Hochschulabsolventen?

„Es macht natürlich einen Unterschied, ob jemand nur studiert hat, oder ob er auch zusätzliche Erfahrungen gesammelt hat“, sagt Evelin Mayr, Personaldirektorin und Mitglied der Geschäftsführung bei Hewlett-Packard Österreich. „Das Engagement muss allerdings stimmig sein mit dem Job, für den man sich später bewirbt.“ Wenn jemand sich beispielsweise durch die Organisation von politischen Kundgebungen hervorgetan hat, qualifiziert ihn das nicht automatisch für eine Karriere als IT-Consultant.

Breite Palette an Organisationen

Auch Rita Kaufmann-Linke, HR Director Europe & International und Group HR Coordinator des Mondi Konzerns, sieht außeruniversitäre Aktivitäten und Praktika äußerst positiv, da sie Studenten die Möglichkeit bieten, persönliche Stärken und Entwicklungsfelder frühzeitig zu erkennen und sich am Arbeitsmarkt zu differenzieren. Ehrenamtliches Engagement gehört anscheinend zum guten Ton: Im Wintersemester 2007/08 waren rund 235.000 Hörer an Österreichs Universitäten gemeldet. Vier von fünf Studenten engagieren sich auf die verschiedensten Arten neben dem Studium. „Es gibt auf jeder Hochschule Organisationen, bei denen man mitarbeiten kann“, erklärt Wolf Heinrich Reuter, Vorstand des Uni Management Club.

Die Palette reiche von gesellschaftspolitischen Initiativen bis hin zu studentischen Unternehmensberatungen. 18 dieser Organisationen präsentieren sich jedes Jahr in der Aula der WU Wien im Rahmen der Colloco, der Messe für außeruniversitäres Engagement. „Meist können die Interessierten auch den zeitlichen Rahmen festsetzen, wie intensiv sie bei einem Projekt mitarbeiten wollen.“ Dies kann nur temporär sein oder eine regelmäßige geringe Stundenzahl umfassen. „Leitungsfunktionen in Studentenclubs sind allerdings meist Rund-um-die-Uhr-Jobs“, gesteht Reuter.

Die angehenden Akademiker sollten sich daher sehr genau überlegen, wie sie sich ihre Zeit einteilen, sagt Bernhard Wundsam, Geschäftsführer von Uniport, dem Karriereservice der Universität Wien. Etwa 60 Prozent der inländischen Studenten müssten neben dem Studium auch noch arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. „Ein weiteres Viertel ist in den Ferien mit einem Praktikum oder einem Sommerjob engagiert.“

Sozialkompetenz erarbeiten

„Ich habe auch während meiner Uni-Zeit immer mehr gearbeitet als studiert“, sagt Gunther Fürstberger, Managing Partner des MDI. Die außeruniversitären Aktivitäten haben der internationalen Führungskraft mindestens so viel gebracht wie die akademischen Inhalte des Studiums. Konkret war Fürstberger als Trainer für studentische Organisationen tätig – sein damaliges Hobby hat er heute zum Beruf gemacht. Am meisten profitiert hat er von der Sozialkompetenz, „die ich sonst im Hörsaal nie vermittelt bekommen hätte“. Als weitere Skills nennt der Unternehmer Teamgeist, Beziehungsmanagement, Selbstorganisation, Management Skills sowie „die Fähigkeit, sich ein Netzwerk aufzubauen“.

Ehrenamtliche Tätigkeit bringt auch eine besondere Art von Selbstwertgefühl, ergänzt Wundsam. Die Persönlichkeit der engagierten Studenten sei oft reifer. Diesen Vorteil sieht auch Mayr – die Wahrscheinlichkeit, dass sich dieser Kandidat beruflich gut entwickelt, ist daher groß. „Wer viel früh gelernt hat, der macht schon Karriere, während die anderen diese Fähigkeiten noch aufholen“, wirft Kaufmann-Linke ein. Die zwei Personalverantwortlichen negieren aber, dass sie einem Kandidaten mehr Gehalt zahlen würden, weil er sich außeruniversitär engagiert hat. „Dafür macht er aber meist schneller Karriere“, so beide unisono.

Es gibt allerdings auch eine Kehrseite des Engagements: „Freunde, die nicht in der Organisation sind, werden oft vernachlässigt“, sagt Reuter: „Du verbringst deine Freizeit dann nicht im Freibad, sondern beim Team.“ Auch andere Aktivitäten und Hobbies bleiben bei der extensiven Ausübung des Ehrenamts leicht auf der Strecke. „Aufgrund meiner gleichzeitigen Berufsausübung habe ich sicherlich drei Jahre länger für das Studium gebraucht“, sagt Fürstberger. Bei Weingraber „hatte fünf Semester lang die ÖH die klare Priorität vor dem Studium“.

Solche Zusatzzeiten sind manchmal schwer zu argumentieren. „Zwei bis drei Semester längere Studiendauer aufgrund von außeruniversitären Tätigkeiten sind OK, mehr eher nicht“, sagt Kaufmann-Linke. Eine Höchstgrenze könne man nicht bestimmen, aber die Studenten „dürfen sich eben nicht verzetteln“. Solange das Engagement erklärbar ist, stellt eine längere Studienzeit kein Problem dar, sagt Mayr. Allerdings: „Bummelstudenten haben keine Chance – auch die engagierten nicht.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2008)

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