Besser ein Konkurs als ein Studium

Porträt. Seit frühester Jugend macht der Oberösterreicher Clemens Strobl Werbung. Warum nicht auch Wein anbauen? Wichtig ist doch nur, für alles zu brennen, was man tut.

Die Schule war seine Sache nicht. Nach drei Jahren brach Clemens Strobl (45) die Grafik-HTL ab und ging in die Lehre für Reproduktionstechnik. Dann kam der Computer dazwischen: Diesen Beruf gab es nicht mehr, kaum dass er ausgelernt war. Was dem 19-Jährigen herzlich wenig ausmachte, hatte er doch schon als Lehrling eine Werbeagentur gegründet. „Unternehmer ist man, oder man ist es nicht. Ich bin es.“

In den 1980er-Jahren sei Gründen leicht gewesen, findet er. Noch stand nicht das schnelle Geld im Vordergrund: „Jedes Start-up will heute Apps programmieren, die 100 Millionen bringen. Das ist keine Vision.“ Doch nur in einer solchen stecke Herzblut: „Ohne Feuer hat man keine Begeisterung, keine Konsequenz.“ Strobls Werbeagentur blühte und gedieh. Sieben Mitarbeiter, große Etats im In- und Ausland, Einblick in viele Branchen.

Mit dem Rücken zur Wand

Trotzdem scheiterte er. Nahm von seinem Hauptkunden einen nicht gedeckten Wechsel an – „ich wusste nicht einmal den Unterschied zum Scheck“. Dieser riss ihn mit in den Konkurs. Erkenntnis: „Ich war zu jung und zu schnell erfolgreich gewesen.“ Trotzdem: „Es gibt Leute, die sagen: ,Ein Konkurs bringt mehr als ein Studium.‘“

24 Jahre jung, verheiratet, zwei kleine Kinder, Privatkonkurs: „Ich hatten keine Wahl. Ich brauchte ein regelmäßiges Einkommen. Und zwar schnell.“ Strobl heuerte in einer großen Linzer Agentur an, „gleich ganz oben, weil ich meine Kunden mitbrachte“.

Vier Jahre später war er schuldenfrei. Und schon dachte er wieder über eine Neugründung nach, diesmal mit seiner Frau als Partnerin. „Ich kann nur unternehmerisch denken. Nur da springt der Funke über.“ Er wusste jetzt, wie es bei professionellen Agenturen zugeht. Bloß dass er kein Kapital hatte, um groß anzufangen: „Also habe ich die besten Freelancer zusammengetrommelt, mit denen ich je zusammengearbeitet habe. Ich wollte nie wieder Mitarbeiter auf die Straße stellen müssen.“

Vater- vs. Muttergefühle

2003 war Strobl wieder ganz oben – und plötzlich in der Lebenskrise: „Solche Gedanken kommen nur, wenn es einem gut geht. Nie, wenn man Stress hat.“ Strobl und seine Frau Martina steckten 18 Stunden am Tag zusammen. Er brannte für die Firma, sie hatte das Gefühl, die Kinder zu vernachlässigen: „Als Vordenker hat man eine andere Belastbarkeitsgrenze. Sie musste immer mithupfen.“

Also trennte man sich beruflich. Die fotografieaffine Martina Strobl baute ein (noch immer zum Firmenkonglomerat gehöriges) Fotostudio auf, bis sie erkannte, eben kein Unternehmer-Gen zu haben: „Sie wollte sich endlich ganz den Kindern widmen.“ Die Mutter blieb nun daheim – für den Vater „lässig, jetzt ist der Eiskasten immer voll“.

Guter Wein war schon immer Strobls Leidenschaft. Warum schmeckt dieselbe Sorte in einem Land so, im nächsten ganz anders? Was macht die Lage aus, das Wetter, die Hand des Winzers?

Und nun der Wein

2008 spürte Strobl erneut „dieses Feuer“ und kaufte einen Weingarten im niederösterreichischen Wagram. „Ein Spagat: Wie bringe ich Weinleidenschaft rüber, wenn mich doch alle mit Werbung assoziieren?“ Seinen ersten Jahrgangswein – „1000 Flaschen à 100 Euro“ – bezeichnet er als „Marketingwein. Heute ist er Kult“.

2013 erwarb er ein zweites Weingut. Das passt gut ins Portfolio: Die Eigenmarke (mit Feuer im Logo) für limitierten Boutiquenwein, bei der zugekauften tobt er sich mit guten Breitenweinen und findiger Vermarktung aus.

Risiko? „Muss man einschätzen können. Das habe ich gelernt“, sagt der werbende Winzer. Aber Ideen – Ideen dürfe man immer haben.

AUF EINEN BLICK

Am Alumni-Tag der Donau-Universität Krems am 26. September diskutieren ab 17 Uhr Clemens Strobl (Weinmanufaktur), Maive Rute (Europ. Kommission), Gerald Steiner (Donau-Uni Krems) und Reinhard Willfort (Crowdfunding 1000x1000) über „Keine Chance ohne Risiko: Wer traut sich Innovation?“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2015)

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