Ein Leben für Gesellschaftsspiele

Porträt. Brettspiele passen für jedes Alter, meint Piatnik-Geschäftsführer Dieter Strehl. Sie führen Menschen zusammen, lassen sie gemeinsam lachen und hinter die Fassade des anderen schauen.

Kleine Kinder lieben es, ihre Eltern beim „Memory“ zu schlagen. Sie merken sich ja noch alles. Es mache sie so stolz, über die Großen zu triumphieren, lächelt Piatnik-Geschäftsführer Dieter Strehl (57). Und es binde die Familie enger zusammen. Die Mama kaufe immer neue Spiele, „Schwarzer Peter“, Puzzles, Disney-Merchandise, vor allem für die Buben, seltener für die Mädchen. „Deswegen bleiben Männer ein Leben lang Buben. Und Mädchen werden früh erwachsen.“

Ein paar Jahre später komme die Zeit der Lernspiele und der heimischen Spieleikone „DKT“. Damit sie nie langweilig wird, bringt Strehl immer neue Variationen auf den Markt, „Alpen-DKT,“ „Salzkammergut-“ und „Wörthersee-DKT“. Bauunternehmer Erwin Soravia gönnte sich zu seinem Fünfziger gar eine eigene Soravia-Immobilienedition.

Ewig jung: "Activity"

Später, als Jugendliche, gingen die Kids den Brettspielen verloren. Eine Zeit lang sind sie ausschließlich digital unterwegs. „Das ist okay. Aber lustig ist es dort nicht.“ Strehl weiß, die Jungen werden zurückkommen. Eines Tages werden sie zu einem Spieleabend eingeladen, zum unvermeidlichen „Activity“, mit acht Millionen verkauften Stücken erfolgreichstes Verlagsprodukt. „Sie hauen sich ab, wie komisch sich die anderen verhalten. Und wie entlarvend.“ Denn es ginge nicht um Würfel oder Spielplan. Sondern um Menschen, die zusammenkommen, sich demselben Regelwerk unterwerfen, gemeinsam Tränen lachen. Dieselben Menschen opponierten im realen Leben gegen Regeln jeder Art. Beim Spielen aber lesen sie gewissenhaft die Anleitung durch und sind ungehalten, wenn andere dagegen verstoßen.

Deswegen, so philosophiert Strehl weiter, sind die vertrauten Spieleklassiker so wichtig: Da man mit ihnen an einem verregneten Sonntagnachmittag sofort loslegen kann. Da es Spaß macht, erneut die schönen Stunden der Kindheit zu erleben. Deswegen legt er die Klassiker, zeitgeistig adaptiert, immer wieder auf. Nur „Die Omama im Apfelbaum“ schlug als Brettspiel nicht so richtig ein: Da heutige Mütter das alte Kinderbuch nicht mehr kennen.

Schade, meint Strehl, aber ohne Gewicht angesichts der Fülle ständig neuer Ideen. Tausend flattern jedes Jahr auf seinen Tisch, 200 bringt er heraus: „Das Sortiment lebt und atmet.“ Er habe das Glück, in einer der seltenen Branchen zu arbeiten, in der man von der ersten Idee bis zum vollkommenen Erfolg (oder Flop) jeden Schritt hautnah gestalten könne.

„Einfach, sich zu identifizieren“

Wiewohl in fünfter Generation der Gründerfamilie entstammend, war es Strehl nicht in die Wiege gelegt, einmal das heute 193 Jahre alte Unternehmen zu leiten. In seiner Jugend war der Bruder seiner Mutter Geschäftsführer, während Strehls Vater, Großvater und Urgroßvater in der Bauindustrie tätig waren. Dieser Weg war auch ihm vorgezeichnet. Doch die Großmutter mütterlicherseits wohnte im Nebenhaus, er besuchte sie oft und lebte sich in die Spielewelt ein: „Es war einfach, sich zu identifizieren.“ An der Wirtschaftsuniversität spezialisierte er sich auf Export – er stand auch bei Piatnik ganz oben auf der Agenda. „So bin ich hineingerutscht.“ 1983, mit 23 Jahren, trat er in den Familienbetrieb ein, seit 1995 steht er ihm und den Auslandstöchtern vor.

Zur Person

Piatnik ist eines der wenigen Unternehmen, die noch mitten in der Stadt produzieren, in der Hütteldorfer Straße im 14. Bezirk: „Als wir hierher kamen, gab es noch keine Häuser“, zeigt Strehl alte Fotos, „die Stadt ist über uns drübergezogen.“ Wien zu verlassen kommt auch heute nicht infrage, im Gegenteil: „Vienna“ prangt prominent im runderneuerten Markenzeichen, direkt unter dem modernisierten Jockey. „Er reitet schon das dritte Jahrhundert mit uns“, schwelgt Strehl in der Firmengeschichte. „Damals war es üblich, Tiere im Logo abzubilden. Die anderen hatten Elefanten oder Büffel. Mein Vorfahre hatte mehr für Pferderennen übrig.“
So auskunftsfreudig er zur Vergangenheit ist, so bedeckt hält er sich zur Zukunft. Ja, die Familie sei groß, und alle Anteile seien in ihren Händen. Ob sich aus dem weitverzweigten Geflecht aber auch sein Nachfolger herauskristallisieren würde, hänge nicht von ihm ab: „Das weiß nur er selbst.“Dieter Strehl (57) stammt in fünfter Generation aus der Unternehmerfamilie Piatnik. 1983, mit 23 Jahren, stieg der Handelswissenschaftler in den Betrieb ein. 1995 übernahm er als Geschäftsführer das Wiener Stammhaus und gestaltete es zum modernen Spiele- und Spielkartenverlag mit 150 Mitarbeitern und 85 Prozent Exportquote um. Über die Vertriebstöchter in Ungarn und Tschechien öffnete er den CEE-Markt. Seit 2015 ist er auch President von Piatnik of America.

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