Die Sache mit dem Vertrauen

Blockchain. Wenn Private mit Privaten Internetgeschäfte machen, ohne dass eine Plattform dazwischengeschaltet ist, braucht das vor allem eines: Vertrauen in die Sicherheit.

Es liegt in der menschlichen Natur, wann immer etwas Neues auftaucht, es in eine kausale Linie zum Vorhergehenden zu setzen. Industrie 4.0 ist die logische Folge von Industrie 3.0, 2.0 und 1.0, von Dampfmaschine über Fließband und Computer bis zur vernetzten Fabrik.

Mit der Blockchain ist jetzt die Finanzbranche dran (was nur der Anfang ist). Um die Blockchain zu verstehen, meint die Wiener Wirtschaftsinformatikerin Shermin Voshmgir, müsse man die Geschichte des Internets verstehen. Erst Internet 1.0, die virtuelle Prospektplattform, auf die jeder seine Werbebotschaften stellte, die klassische Einwegkommunikation. Dann das Internet 2.0, das uns die Mehrwegkommunikation brachte, soziale Netzwerke, Wikipedia, Amazon, eBay, Airbnb, und wie sie alle heißen. Einer rief ins Web hinein, jeder konnte antworten. Noch war eine Plattform zwischengeschaltet, ein Client-Server-Protokoll, dem man gezwungen war zu vertrauen, da man ihm Zugang zu seinen Daten erlauben musste, ob man sie nun am Computer, auf mobilen Speichergeräten oder in der Cloud aufbewahrte.

Und jetzt die Blockchain, „the next big thing“. Sie wischt die alten Plattformen beiseite und ermöglicht Peer-to-Peer-Protokolle. Das heißt nichts anderes, als dass jeder mit jedem Geschäfte machen und Geld transferieren kann, ohne dass eine Bank, eine Versicherung, ein Mittler zwischengeschaltet ist. Was die Sache natürlich erheblich billiger macht, fallen doch alle Gebühren weg, von denen die Mittler (derzeit noch) leben.

Der springende Punkt ist die Sicherheit. Voshmgir kommt ins Schwärmen: „Die Blockchain ist ein Protokoll, das Vertrauen dezentralisiert.“ Es speichere alle Transaktionen in einer endlosen Kette (daher der Name) auf jedem Rechner im Netz und sichere sie mit einer Prüfziffer. Um diese zu manipulieren, müsste die Mehrheit der Rechner manipuliert werden, rückwirkend die ganze Kette zurück bis zum Datum der Transaktion. Das ist zwar nicht ganz unmöglich, jedenfalls aber extrem teuer.

Das Zauberwort für künftige Geschäftsmodelle heißt Smart Contracts. Der englische Begriff ist irreführend. Die Verträge sind nicht intelligent, sondern selbstausführend, sobald die Wenn-dann-Regeln, die in den Computercodes hinterlegt sind, erfüllt sind. „Wie ein Schiedsrichter, der darauf achtet, dass nur erlaubte Transaktionen durchgeführt werden“, beschreibt Voshmgir. Wer braucht dann noch Banken?

Radikales Neuerfinden

Voshmgirs Mitleid hält sich in Grenzen: „Ich habe einmal eine Überweisung von Wien nach London gemacht, an der waren fünf Banken mit ihren Servern beteiligt. Das Geld ist nie angekommen. Es dauerte Wochen, bis wir wussten, wo es hängen blieb.“
Überraschend war gerade die bedrohte Bankenspezies die erste, die auf den Blockchain-Zug aufsprang und das zum Trendthema machte. Doch das Konsortium der 70 führenden Banken, das eine gemeinsame Blockchain hätte entwickeln sollen, scheiterte – vielleicht, weil arrivierte Institutionen selten etwas revolutionär Neues auf die Welt bringen.

Andere Branchen experimentieren derweil fröhlich mit der Blockchain herum: in Form von Nanopayments für Verlage oder Streamings für die Musikindustrie, als Mikronetze von Privaten, die das öffentliche Netz gegen Bitcoins mit Solarstrom beliefern, als entbürokratisierte Patent- und Grundbuchämter. „Oder als Uber ohne Uber“, sagt Voshmgir. Aber das werde wohl noch reifen müssen.

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