Und heute sperre ich das Handy weg

Digital Detox. Multitaskingfähig zu sein mag chic klingen – effizient ist es nicht. Suchtexperte Roland Mader rät, das Mobiltelefon auch einmal ganz bewusst wegzulegen – beruflich wie privat.

Manchmal spielt uns das Gehirn einen Streich. Voll Elan beginnen wir, einen Text zu schreiben, doch dann fällt uns ein, dass wir ja noch Frau Sowieso anrufen wollten. Während des Telefonats erreicht uns ein E-Mail, in dem uns Herr Soundso um einen dringenden Gefallen bittet. Und der Text – der ist immer noch nicht geschrieben.

Unserem Gehirn macht das scheinbar nichts aus, es sehnt sich geradezu nach Neuem und wird mit einem Schuss Hormone direkt in das Lustzentrum belohnt.

Wer jetzt sagt „Ach, das ist doch perfektes Multitasking“, muss mit einem „Ja, aber“ als Antwort rechnen. Zwei einfache Tätigkeiten ließen sich noch parallel ausführen, zeigen Studien, doch schon bei Autofahren und Telefonieren werde es problematisch. (Dass Frauen besser multitaskinggeeignet seien als Männer, ist übrigens nicht belegt.) Im Gegenteil, Aufgaben im Multitaskingmodus auszuführen dauert bis zu 40 Prozent länger, und die Ergebnisse enthalten bis zu dreimal so viele Fehler – das gilt als erwiesen. Die Rede ist auch von „kognitiver Überfrachtung“.

Häufig involviert in alltägliche Multitaskingprozesse sind elektronische Geräte, Mails, Social Media und Apps mit Pop-up-Benachrichtigungen. Jedes „Sie haben eine neue Nachricht“ sei dabei ein Stressor, sagt Roland Mader, Primar am Anton-Proksch-Institut, das neben alkohol-, medikamenten- und drogenabhängigen Menschen auch Spiel-, Internet-, Kauf- und Arbeitssüchtige behandelt.

Sich ständig verpflichtet fühlen

Sich im Urlaub vom Mobiltelefon zu verabschieden, vom Laptop zu lösen und eben nicht erreichbar zu sein ist für viele Menschen entsprechend schwierig. „Das braucht Disziplin“, sagt Mader. Und mitunter eine gewisse Vorbereitung. Etwa, einen Abwesenheitsassistenten im E-Mail-Programm einzurichten, oder eine Vereinbarung mit dem Dienstgeber bzw. den Kollegen, dass die Mails nicht oder nur zu bestimmten Zeiten gelesen werden. Je weniger man sich im Urlaub verpflichtet fühlt, berufliche Aufgaben wahrzunehmen, desto eher stellt sich der gewünschte Erholungseffekt ein.

Dagegen, das Mobiltelefon oder das Tablet dafür zu nutzen, um die nächste Tankstelle zu finden oder etwas über eine Sehenswürdigkeit zu erfahren, dagegen spricht natürlich nichts.

Intensivnutzern rät Mader, ihr Mobiltelefon wegzusperren und nur für eine bestimmte Zeit zur Hand zu nehmen – Stichwort: Digital Detox, eine Entwicklung, die nicht zufällig im Silicon Valley ihren Anfang genommen hat. „Es empfiehlt sich, Zeiten genau zu definieren.“ Und unter Umständen sogar „Schutzzonen“: etwa das Schlafzimmer. „Das Handy auf dem Nachtkästchen bringt eine schlechtere Schlafqualität“, sagt Mader. Das Schlafzimmer sei eben zum Schlafen da. Nicht so streng ist er, wenn es um das Fernsehgerät im Schlafzimmer geht, denn das könne man zumindest abschalten.

Der Urlaub sei außerdem eine gute Möglichkeit, das eigene Nutzungsverhalten zu überdenken, sagt Mader: Ob und in welchem Maß ist es notwendig? Auf wie vielen Plattformen will ich aktiv sein?

„Bitte nicht stören“

Die Antworten darauf gilt es im Alltag umzusetzen: Bewusst das Mobiltelefon weglegen, um nicht dem „Phubbing“, dem ständigen Hantieren am Handy, zu verfallen. Mail-Benachrichtigungen abstellen und Nachrichten nur periodisch abrufen. Oder ein „Bitte nicht stören“-Schild am Arbeitsplatz anbringen.

ZUR PERSON

Roland Mader ist Primar am Anton-Proksch-Institut. Sich im Urlaub vom Mobiltelefon zu trennen verlange Disziplin, sagt er. Zwei Prozent der Nutzer von Social Media würden problematisches Verhalten an den Tag legen, besagen Schätzungen. Zudem verstärkt intensive Mediennutzung psychische und soziale Probleme.

("undefined", Print-Ausgabe, 12.08.2017)

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