Mann mit Mut zur Lücke

Porträt. Konrad Zimmermann hat mit seinem Nachhilfeinstitut LernQuadrat gerade Hochkonjunktur. Er nimmt sich bei Schule, Lehrern, Eltern und Kindern kein Blatt vor den Mund.

Er komme aus einer „Simmeringer G'sindelgegend“, sagt Konrad Zimmermann, Chef des Nachhilfeinstitutes LernQuadrat. Dazu stehe er. Auch zu „dem unbeschreiblichen Glück, dass sich meine Eltern für Bildung interessierten.“ Selbst dazu, dass der Vater dies gern mit dem Rohrstock umsetzte. Und dass alle wegschauten, wenn Zimmermann und seine Schwester mit blauen Flecken in die Schule kamen.

Warum solle er das auch verleugnen? Heute befähige es ihn, jedem Kind zu vermitteln, „ich kann dich verstehen, wie du da vor mir sitzt.“ Und jeder Mutter, dass er ihr keine Vorwürfe mache, wenn ihr Kind nicht so gut lerne. Wichtig sei doch, dass es Mutter und Kind nachher besser gehe.

Mit 17 Jahren verließ Zimmermann sein Elternhaus. Die Matura verdiente er sich mit Zettelverteilen. Beim Abschluss schwor er sich, seine HTL nie wieder zu betreten. Vier Jahre später, da studierte er längst Technische Chemie, fand er sich in den alten Klassenräumen wieder, als Assistent für Chemieversuche. Damals stellte er drei Talente an sich fest: motivieren, schwierige Dinge einfach erklären zu können und Mut zur Lücke zu haben: „Als ausgebildeter Chemiker hat man ein Riesenwissen. Die Kunst ist zu entscheiden, was davon gebe ich einem 14-Jährigen weiter.“

Nach oben, immer nach oben

Unterrichten machte ihm Spaß. Trotzdem ging Zimmermann als frischgebackener Diplomingenieur in die Industrie, zur heutigen Voestalpine nach Linz. Weil er nach oben wollte, sagt er. Rasch stellte er fest, dass Karrieremachen länger dauerte als geplant. „Bei jedem Projekt kamen g'scheite Leute herein und redeten über Konten. Ich wusste nicht, was sie meinen.“

Also ging er zurück an die Uni und büffelte Buchhaltung und Kostenrechnung. Um bald darauf zu erkennen, dass es in Wahrheit nicht die Kontenmenschen waren, die im Konzern den Ton angaben, sondern die Verkäufer. Damals fand er in der Zeitung ein Inserat: IBM suchte Verkäufer. Kein Wort über Vorbildung oder einschlägige Praxis, nur über Herausforderung, Dazulernen und überdurchschnittlichen Verdienst. Dorthin wollte er.

Konzernkarriere ade

Er blieb fünf Jahre beim Blauen Riesen. Und ging mit der Erkenntnis, weder für die Industrie- noch für die Verkaufskarriere geboren zu sein. Vielleicht doch für die Schule?

Die nächsten zehn Jahre lehrte er an seiner alten HTL. „Dann sahen meine Frau und ich uns tief in die Augen. Wir hatten drei Kinder, ein Haus – und entschieden nun, uns selbstständig zu machen.“
Franchise schien ein guter Weg. Bis sich sein Franchisegeber, der „Studienkreis“, aus Österreich zurückzog. Und den Weg freimachte für sein LernQuadrat mit heute 80 Standorten, 1500 selbstständigen Lehrern und 5000 Schülern jährlich.

Nachhilfe ist ein gutes Geschäft, trotzdem will er nicht in das Gejammer über das „schlechte Schülermaterial“ einstimmen: „Das ist Holler. Aber heute kommen 52 Prozent der Wiener Kinder zur Matura. Zu meiner Schulzeit waren es fünf Prozent.“ Da könne man doch nicht gleiche Leistung erwarten?

Vieles am System missfällt ihm. Dass „Lehrer mit Administration zugemüllt werden. Mit teils widersprüchlichen Gesetzen. Und dass die Literatur der Zentralmatura geopfert wurde.“ Wie viele Kinder läsen denn noch Orwells „1984“?

Seine Aufgabe sei, sie zu motivieren: „Es ist immer dasselbe. Vor mir sitzen eine verzweifelte Mutter und ihr Sohn. Ich frage ihn etwas, sie gibt die Antwort. Bis ich sie stoppe und sage, ,Ihr Sohn ist 18, er muss das entscheiden.‘ Während sie noch nach Luft ringt, mache ich mit ihm einen Lernplan aus. Und der hält, weil ich der Erste war, der den Sohn für voll genommen hat.“ Und das sei das ganze Geheimnis.

(Print-Ausgabe, 26.08.2017)

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