Das Leben, ein Abenteuer

Porträt. Johanna Schober ist Chief Operating Officer beim Wiener Spieleentwickler Sproing. Sie hat viel mit Astrid Lindgrens Ronja Räubertochter gemein. Auf den zweiten Blick.

Im Februar 2016 war sie noch mit der Rockband Kiss in der Karibik, auf der „Kiss Kruise“. Dort, auf der jährlichen Reise für die Hardcore-Fans, promotete Johanna Schober das jüngstes Onlinespiel der Band, entwickelt in ihrem Haus. Was, ein Gratisspiel?, zögerten die Fans. Sie waren gewohnt, für jeden noch so bescheidenen Merchandise-Artikel ihrer Band zur Kasse gebeten zu werden. Also ließ Schober rasch ein paar Bezahlelemente einfügen, coolere Outfits, heißere Instrumente und einen flotteren Spielfortschritt für ein paar Dollar mehr. Jetzt fühlten sich die Fans verstanden – und kauften begeistert.

Schober (35), COO des Spieleentwickers Sproing, hat viele solcher Geschichten auf Lager. Geschichten aus einer Welt, die sich noch schneller dreht als der Rest der Wirtschaft.

Das beginnt mit ihrer eigenen: Zuerst eine klassische Projektmanagementausbildung an der FH Salzburg. Schon das erste Praktikum wollte sie nicht wie ihre Kollegen in einem traditionellen Betrieb machen. Babyöl und Shampoo, das interessierte sie einfach nicht. Sie liebte Onlinespiele. Ob sich daraus ein Beruf machen ließe?

Ausloten, was man alles kann

Zum Test klopfte sie bei einer kleinen Entwicklerbude in Stuttgart an. „Ich habe in diesem halben Jahr mehr gelernt als je zuvor oder je danach in meinem Leben“, zieht sie heute Bilanz.
Nach einem Monat schickte man die damals 20-Jährige auf die Gamescom in Köln, die weltweit zweitgrößte Messe für interaktive Unterhaltungselektronik. Sie möge dort einen Vertrieb für ein polnisches Motorradspiel an Land ziehen. Obwohl sie „mit der Aufgabe vollkommen überfordert“ war, bewältigte sie sie – wie viele Folgeaufträge auch.
Nie zuvor habe sie sich als ehrgeizigen Menschen wahrgenommen, sagt sie. Nun entdeckte sie, was in ihr steckte. Und dass sie gar keine ruhige Kugel schieben wollte.
Das Leben, ein Abenteuer: „Es kann nicht Ziel sein, sich zu schonen und am Ende seinen Körper ungebraucht zurückzugeben. Sondern auszuloten, was alles geht.“

2003 heuerte sie beim jungen Gaming-Start-up Sproing als Projektleiterin an, als „sechste oder siebente Mitarbeiterin überhaupt“. Es ging steil bergauf. Bald war sie Chefin der Projektleiter, bekam ihren ersten Sohn, kehrte schnell zurück. An dem Tag, als CEO Harald Riegler sie zur Ko-Geschäftsführerin emporhob, gestand sie, erneut schwanger zu sein. Man arrangierte sich – der CEO überbrückte das halbe Jahr bis zu ihrer Rückkehr aus der Karenz allein. „Wir halten zusammen“, sagt Schober, „wenn wir sagen, wir ziehen das durch, dann ziehen wir es auch durch.“

Ständig in Bewegung

Vergangenes Jahr, zu ihrer besten Zeit, hatte die Firma hundert Mitarbeiter. Mit dem „Moorhuhn“ wurden sie als größter österreichischer Game-Produzent gefeiert. Dann im Herbst überraschend der Einbruch: Ein wichtiger Kunde sprang ab, Sproing blieb auf gewaltigen Entwicklungskosten sitzen und musste sich einem Restrukturierungsverfahren stellen. 60 Mitarbeiter verloren ihren Job.
„Wir hatten schon viele Krisen“, sagt Schober, „aber es gibt immer einen Ausweg.“ Sie für sich habe darüber gelernt, mit schicksalhaften Dingen umzugehen. Das könne man trainieren, sagt sie. Ihr liebstes Buch war immer Astrid Lindgrens „Ronja Räubertochter“. Auch ihre Söhne liebten es. Das wilde freie Mädchen, das furchtlos auf jede Gefahr zuging. Natürlich könnte sie die Kinder davor warnen, wie Ronja am Wasserfall herumzutoben und vielleicht abzustürzen. Sich am besten gleich vom Wasserfall fernhalten? Diese Einstellung finde sie in Österreich gar nicht so selten: Je weniger Wandel, desto lieber. Aber man könnte sich auch ins Getümmel werfen und gestärkt daraus hervorgehen.
Das vergangene Jahr war hart, sagt sie. Es habe sie an die persönlichen Grenzen geführt. Kein Tag war wie der andere, weil man als Spieleentwickler siebenmal so viel erlebe wie in einem normalen Berufsleben. „Das kann man nun schiach finden oder schön.“ Ihr gefiele es genau so.

Die Play Austria, die erste Messe der österreichischen Gaming-Szene, findet noch am 16. September im Semperdepot, Lehargasse 6–8, 1060 Wien, statt.

(Print-Ausgabe, 16.09.2017)

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