Lehrlinge: Enttäuschte Erwartungen

Sie rechnen mit einer stylischen „New World of Work“. Und sind frustriert, wenn sie dann in einer gewöhnlichen Fabrikshalle mit Dreischichtbetrieb arbeiten.

Neulich, beim Ausbilderstammtisch in Oberösterreich. Ihre Lehrlinge hätten ein falsches Bild der Arbeitswelt, klagten die Ausbilder dem Lehrlingsexperten Robert Frasch. Als existiere flächendeckend die viel besungene „New World of Work“, als dürften Lehrlinge mit flexiblen Arbeitszeiten, stylischen Arbeitsplätzen und relaxten Homeoffice-Tagen rechnen.

Die Lamenti an jenem Abend gingen noch weiter. In den Köpfen der Jugendlichen, sagen die Ausbilder, sei die Vorstellung einer Arbeitswelt eingebrannt, die nichts mit der Realität zu tun habe: „Schön und bunt und cool und lustig“ sei sie, die Jobs seien „lässig und geben nicht viel zu tun“, die Arbeitgeber dermaßen dankbar für jeden Angehörigen der Generation Z, dass sie ihm „ohnehin jeden Wunsch von den Augen ablesen.“
Wie, fragten die Ausbilder, sollten sie die Fantasie mit ihrer Dreischichtbetrieb-Realität in Einklang bringen? Dazu ein paar Gedanken.

Auf Weichzeichner verzichten

Wohin man schaut, wird die Arbeitswelt derzeit als hippe öko-amikale Start-up-Szene dargestellt. Ältere erinnert das an die 1990er-Jahre, an damals allgegenwärtige Skyline-Stahl-Glas-Chrom-Szenarien, den Traumarbeitsplätzen der damals aufstrebenden jungen Generation. Wie damals lebt auch heute nur ein schmales Segment der Werktätigen dieses Ideal – Lehrlinge so gut wie nie. Deren Realität sind Fabrikshallen, Werkstätten und Verkaufsräume. Genau diese müssten aber auch dargestellt werden – in den Medien (richtig, auch in der „Presse“), in Imagebroschüren, auf Facebook und in Suchinseraten. Um keine falschen Erwartungen zu wecken.

Jedoch: Die Firmen scheinen ihre Wirklichkeit selbst für nicht sexy genug zu halten. Lieber färben sie sie Instagram-tauglich ein und wundern sich, wenn die Kids enttäuscht sind. Ein typisch österreichisches Problem übrigens: In den USA erfreut sich die etwa von Voestalpine oder dem Vorarlberger Beschlägehersteller Blum dorthin exportierte Lehrlingsausbildung großer Beliebtheit – ganz ohne Weichzeichner.

Sehnsucht nach Sicherheit

Die „Erste Österreichische Lehrlingsstudie“ der Trendagentur Tfactory bestätigt vor allem Lehrlingen in Gewerbe und Handwerk eine hedonistische Grundeinstellung. Jenen in der Industrie attestiert sie durchaus rational-leistungsorientierte Ideale, Lehrlinge in Freizeitwirtschaft und Tourismus sieht sie als Abenteurer, jene im Handel als Konventionalisten. Allen Jugendlichen gemeinsam sei ein wachsendes Bedürfnis nach Sicherheit, einem planbaren Leben und einer gesellschaftlichen Ordnung. Hier können Firmen falsche Erwartungen kompensieren, wenn sie sich die alten Werte Stabilität, Beständigkeit und Zugehörigkeit zuschreiben. Nicht zukünftig oder abstrakt (damit können Pubertierende nicht viel anfangen), sondern mit greifbarem Sofortnutzen.

Lernt zu kämpfen

Der deutsche „Manager Magazin“-Autor Jakob Osman geht in seinem Artikel „Gute Nacht, Millennials!“ hart mit der Generation Y ins Gericht. In ihren ersten 20 Jahren, ätzt Osman, habe sie nicht gelernt, dass das Leben Anstrengung, Mühe und Rückschläge bedeute. Gewohnt, mit „Schreien, Klagen und Fordern“ alles zu bekommen, wechsle sie leichten Herzens alle zwei Jahre den Job, wenn der Chef sie nicht genug würdige. Man wolle „wirken“ und „etwas verändern“ – doch was, das wisse man selbst nicht.

Vieles, was Osman über die „Gen Y“ schreibt, lässt sich auf die Lehrlingsgeneration Z übertragen. Auch sie muss das Kämpfen erst lernen. „Die Eigeninitiative ist weg“, bedauert Lehrlingsexperte Frasch, „aber nicht, weil sie nie da war. Sondern, weil sie aberzogen wurde.“ Diese Anregung geht an Elternhaus und Schule: Das Leben wird Leistung verlangen. Es ist leichter hineinzuwachsen, als ins kalte Wasser gestoßen zu werden.

(Print-Ausgabe, 23.09.2017)

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