Generationen. Warum suchen alle Verstärkung für ihr „junges, dynamisches Team“? Warum nicht mal für ein „erfahrenes“? Und warum muss man mit 60/65 Jahren in Pension gehen?
Eine Besprechung mit der Werbeagentur. Die schlägt eine Radiokampagne auf Österreichs größtem Sender – Zielgruppe zwölf bis 49 Jahre – vor. Der Geschäftsführer, kein Mann der feinen Art, zu seiner 50-jährigen Assistentin: „Frau Meier, hören Sie überhaupt noch Ö3?“
Es tut weh. Pünktlich zum 50. Geburtstag schieben viele Unternehmen ihre Mitarbeiter in die Kategorie altes Eisen. Da spielt es keine Rolle, dass sie sich um zehn Jahre jünger fühlen, mitten im Leben stehen und im Schnitt noch 35 Lebensjahre vor sich haben. Ab 50 gilt man als alt.
In vielen (glücklicherweise nicht allen) Unternehmen heißt es dann: Raus mit den Alten. Tauschen wir sie gegen Junge, die faltenfrei, billig und noch formbar sind. Fortan wendet man viel Geld auf, solche demografieverknappten Exemplare aufzuspüren und anzulocken. Gleichzeitig werden die 50+ unauffällig, aber konsequent ins Out gedrängt. Keine Information mehr, keine Weiterbildung, keine Zukunftsprojekte. Das sind die passiv-aggressiven Maßnahmen. Offen aggressiv wird gemobbt, geschnitten, gekündigt.
Wundert es da, wenn die 50+ viel zu früh in die Pension flüchten? Die gute Nachricht: Die Spirale lässt sich umdrehen. Dazu aber müssen sich Management und HR so manchem Vorurteil stellen und einen Personalbereich nach dem anderen umkrempeln.
- Recruiting. Warum suchen alle Verstärkung für ihr „junges, dynamisches Team“? Warum nicht mal für ein „erfahrenes“? Ziel ist nicht, Jugendkult durch Altenverehrung zu ersetzen. Sondern ein konstruktives Nebeneinander.
- Fachkräfte. In manchen Branchen gibt es einfach keinen Nachwuchs mehr. Die deutsche Bäckereikette K & U und die niederländische Onlinebank ING-Diba lösen das Problem, indem sie hoch motivierte Ältere in verkürzter Lehrzeit ausbilden.
- Führung. Führungskunst heißt, jeden nach seinen Fähigkeiten einzusetzen. Die der Älteren sind Resilienz und Souveränität auch bei komplexen Themen, Menschenkenntnis, realistische Selbsteinschätzung, realitätsnahe Entscheidungen und ein pragmatischer Zugang, was geht und was nicht. Ein weniger erfahrener Pilot als der damals 57-jährige Chelsey Sullenberger hätte das Kunststück der Landung auf dem Hudson River nicht geschafft.
- Fortbildung. Lernen funktioniert bis ans Lebensende. Je später im Leben, desto allergischer reagiert man aber auf Druck, braucht mehr Zeit und hat eine kürzere Konzentrationsspanne. Letzteres sagt man auch den Generationen Y und Z nach, doch die sind digital fitter. Wie beschämend für die Älteren, in gemeinsamen Fortbildungen bloßgestellt zu werden! Kluge Personalentwickler bieten daher getrennte Fortbildung an, die auf dem jeweiligen Vorwissen aufbaut.
- Arbeiten, so lange man will. Wer sagt, dass man mit 60/65 in Pension gehen muss? Drei Lufthansa-Piloten setzten beim EuGH durch, nicht mit 60 zwangspensioniert zu werden. Finnland führte 2005 einen flexiblen Pensionsantritt zwischen 63 und 68 ein, Norwegen zwischen 62 und 75 und Großbritannien hat gar nur mehr eine Untergrenze von 65 Jahren. Hintergedanke ist, dass der Mitarbeiter entscheidet, wann er geht – und nicht länger das Unternehmen.
(Print-Ausgabe, 25.11.2017)