Von Simulanten und echten Kranken

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Absentismus. Wie leicht lassen sich Österreichs Ärzte täuschen? Wie entlarvt man Simulanten? Ein Schwarzer-Peter-Spiel zwischen den Beteiligten mit einigen konkreten Anregungen.

Zwölf Arbeitnehmer gehen in Krankenstand, unmittelbar nachdem ihr Arbeitgeber ihnen Überstunden angeordnet hat. Noch am Vortag debattieren sie kerngesund mit der Geschäftsleitung, am nächsten wedeln sie alle mit ärztlichen Krankschreibungen. Ob das mit rechten Dingen zuging?

Der Fall aus Oberösterreich schlug Anfang der Woche hohe Wellen. Er wirft die Frage auf: Wie leicht lassen sich Ärzte täuschen? Absicht will ihnen niemand unterstellen, denn sie riskieren ihren Kassenvertrag – wie mehrere Präzedenzfälle beweisen.

Ärzte an Krankenkasse

Wolfgang Mückstein ist einer der ärztlichen Leiter des Primärversorgungszentrums in Wien Mariahilf. Die gute Nachricht: Er registriert ein Viertel weniger Krankenstände als vor ein paar Jahren. Die Statistik gibt ihm recht: Laut Hauptverband ging ein Versicherter 1990 im Schnitt 15 Tage in Krankenstand, 2016 nur mehr 12,5 Tage (Zahlen für 2017 fehlen noch).

Doch simuliert wird, das steht fest. Einer Studie der Wirtschaftskammer zufolge kennen 46 Prozent der Berufstätigen Personen, die sich in den letzten zwölf Monaten krank meldeten, ohne es zu sein – besonders im öffentlichen Dienst, bei mehr als zehn Jahren Firmenzugehörigkeit und in großen Firmen. Europaweit faken 15 Prozent der „Sickies“, die meisten in Spanien (22 Prozent), die wenigsten in Dänemark (vier Prozent).

Doch in puncto Überprüfung sind den Ärzten die Hände gebunden. Damit sich eine Kassenpraxis rechne, sagt Mückstein, dürfe er sich keinem Patienten länger als zehn Minuten widmen. Tiefergehende Tests gingen sich nur in Einzelfällen aus. Der Arzt müsse seinem Patienten die Beschwerden einfach glauben.

Krankenkasse an Patienten

Was nicht heißt, dass er sich für dumm verkaufen lässt. Seinen Zweifel schreibt er in die elektronische Meldung an die Krankenkasse: „Dann kann der Patient schon am nächsten Tag zum Chefarzt bestellt werden“, meint Mückstein. Misstrauisch wird er grundsätzlich bei Freitags- und Montagsabsenzen und drückt das auch über eng definierte Ausgehzeiten während des Krankenstands aus. Ist der Patient dann beim Kontrollbesuch der Krankenkasse nicht daheim und kann auch nicht beweisen, dass er in Apotheke (Kassenzettel) oder Supermarkt (für Singles) war, beendet die Kasse den Krankenstand bzw. storniert ihn.

Allerdings: Bei den schwer nachzuweisenden Depressionen gibt es immer 24 Stunden Ausgang in die frische Luft. Aus dem Schneider ist auch, wer sich zur Pflege in Muttis bewährte Hände begibt. Sofern er das seinem Arzt mitteilt: „Wir schreiben das auf die Krankmeldung und der Kontrollarzt schaut dort nach.“

Bei der Krankenkasse klingt das anders. Erst wenn sich der Patient nach Ablauf der angegebenen Krankenstandsdauer nicht gesund meldet, erklärt Pressesprecherin Regine Bohrn, bekommt er die freundliche Einladung, sich in der Bezirksstelle von einem dort ansässigen Arzt untersuchen zu lassen. Und erst wenn er dieser nicht nachkommt, sucht ihn ein „Krankenfürsorger“ daheim auf.

Bis dahin vergehen sechs bis zwölf Wochen, ärgert sich Gesundheitsexperte Rolf Gleißner von der Wirtschaftskammer. „Logisch, dass die Unternehmen schon viel früher Detektive schicken.“ Paradefall sei der Krankenstand unmittelbar nach der Kündigung, besonders beliebt in der Steiermark.

Wirtschaftskammer an Ärzte

Gleißner appelliert an die Ärzteschaft, bei Krankenständen Gekündigter „besonders achtsam“ zu sein, und an die Krankenkassen, früher zu kontrollieren. Um den Schwarzen Peter nicht weiter von einem zum anderen zu schieben, zieht er eine Aon-Studie mit konstruktiven Vorschlägen hervor: „Sozialtage des Arbeitgebers für nicht medizinische persönliche Gründe“ steht da, oder „flexible Arbeitszeiten“ und „medizinische Betreuung vor Ort“. Und ganz einfach „interessantere Arbeit“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2018)

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