Beide Hände im Aquarium

Stanislav Jenis
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Porträt. Seit 30 Jahren arbeitet Michael Mitic im Haus des Meeres, seit elf Jahren ist er dessen Direktor. Sein Leben kreist um Riesenschildkröten und Seepferdchen. Und um ein paar Vipern.

Puppi soll mit auf das Foto, wünscht sich Michael Mitic (56), Direktor des Hauses des Meeres. Puppi ist eine Riesenschildkröte, die älteste Bewohnerin des Aquariums. Eine Dame brachte sie Anfang der 1980er von den Malediven mit, dort wurde das Schildkrötenkind auf dem Markt angeboten, samt Kochrezept.

Die Dame rettete es nach Österreich, zog es erst im Aquarium, dann im Planschbecken auf. Als Puppi auch dem entwuchs, landete sie im Haus des Meeres. Wie ein Hündchen sei sie, sagt Mitic, auf den Menschen geprägt und süchtig danach, gekrault zu werden. Was jeder, der zu ihr ins Becken steige, ausgiebig tun müsse.

Mitic selbst steigt nicht mehr ins Becken. Er bedauert es, man sieht es ihm an. Vor 30 Jahren, gleich nach dem Biologiedoktorat (Schwerpunkt meeresbiologische Verhaltensforschung), ergatterte er ein Neunmonatspraktikum im Haus des Meeres. Sein Prüfer verhalf ihm dazu, der war Vizepräsident hier. Er sagte ihm gleich, er solle sich keine Hoffnungen auf einen Dauerjob machen. Man brauche zwar Leute, könne sie sich aber nicht leisten. Fünf Mitarbeiter hatte das Haus des Meeres damals. Heute sind es 55.

Fische und Schlangen

„Wir haben alles selbst gemacht“, erinnert sich Mitic. Tiere gefüttert, Aquarien gereinigt, Boden gewaschen, Toiletten geputzt. „Wir waren uns für nichts zu schade.“ Hauptsache, er war bei seinen Tieren. Ein Kollege brachte ihm den Umgang mit Giftschlangen bei. „Das war neu für mich. Ich kam ja aus der Meeresbiologie.“

Mitics Vorbilder waren Hans Hass und Jacques Cousteau. Nun fütterte er Nattern und Vipern – und fand es großartig. Stolz zeigt er auf eine leere Schlangenhaut, die von einer Astgabel baumelt: „Die Gabunviper hat sich gehäutet. Das lassen wir hängen. Als Anschauungsmaterial.“

Mehr und mehr wuchs er in den Betrieb hinein, irgendwann gab es dann doch eine Planstelle und ständig neue Projekte. Das erste Großbecken mit 6000 Litern: „Bis dahin fasste unser größtes 1500 Liter. Auf einmal rechneten wir in Kubikmetern.“

Puppi lernte jedes Becken kennen. 1500 Liter, 6000, 13.000, das Haibecken mit 300.000 und jetzt den Atlantiktunnel mit mehr als 500.000 Litern. Jede Erweiterung brachte einen Besuchersprung. Flachte der ab, kam die nächste Attraktion. „Wir fielen nie zurück.“

Nicht immer lief es wie geplant: „Wir dachten, die Mittelmeerabteilung haben wir in ein paar Wochen renoviert. Dann war die Stahlbetondecke, auf der sie stehen sollte, total verrostet. Auch am Flakturm nagt der Zahn der Zeit.“ Eine Idee musste her, schleunigst. Jetzt ist das Becken an der Mauer verhängt und „schwebt“ über der Stahlbetondecke. Improvisieren sei eine seiner großen Stärken, sagt Mitic.

Seit elf Jahren ist er nun Direktor des Hauses des Meeres. Je höher die Funktion, desto höher der bürokratische Aufwand. Bald hatte Mitic „die Hände nicht mehr im Aquarium“, er saß im Büro, tauchte in die Verwaltung ein. Bedauert er das? Kurz zögert er, dann schüttelt er den Kopf. Seine Frau habe dasselbe studiert wie er, sagt er dann. Heute arbeite sie im Hygienesektor, teste Flugzeugmahlzeiten auf Einhaltung der Lebensmittelstandards. Ein Kollege kam bei der MA 22 unter, bei der Umweltschutzabteilung. Andere blieben an der Uni oder wurden Lehrer – „die mussten Prüfungen in Mineralogie ablegen. Das wäre nichts für mich gewesen.“

Jetzt lächelt er wieder. Mit seinen Giftschlangen habe er sich ein Refugium bewahrt, sagt er verschmitzt. Deren tägliche Pflege ließe er sich nicht nehmen. Na ja, vielleicht heute, weil er verkühlt sei. Das verlangsame die Reflexe.

Stechrochen und Seepferdchen

AUF EINEN BLICK

Das Haus des Meeres, ursprünglich als Verein organisiert, ist heute eine Stiftung mit zwei operativen Gesellschaften: einer gemeinnützigen für den Zoo und einer Betriebsgesellschaft. Bei beiden ist Michael Mitic zoologischer Direktor und Hans Köppen kaufmännischer Geschäfts- führer. Im Frühjahr beginnen die Bauarbeiten für einen zwölf Meter tiefen Zubau, in dem neue Attraktionen, zwei Lifte und ein Direktzugang zum Dachcafé untergebracht sind. Der – nicht unum- strittene – Zubau soll 2019 fertig sein.

Und noch ein Leo habe er sich erhalten: Das Haus des Meeres genieße einen ausgezeichneten Ruf im Züchten von Meerestieren, „obwohl Österreich doch ein Binnenland ist“. Es besitze sogar ein Zuchtbuch für Stechrochen, wie es sonst nur für Löwen und Elefanten geführt werde, um die Ahnenlinien verfolgen zu können. Kürzlich habe Hongkong nach Seepferdchen gefragt und er, Mitic, konnte prompt liefern: „Stellen Sie sich das vor: Österreich züchtet Seepferdchen für Hongkong!“ Und jetzt strahlen seine Augen richtig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2018)

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