Paradigmenbrecher und Unruhestifter

(c) Ákos Burg
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Porträt. Wie Herbert Schwingenschuh dank vertrauensbasierter Unternehmenskultur aus dem Möbelhersteller Conform eine „industrielle Manufaktur“ machte, die fixe Lieferzeiten verspricht.

Wofür man an Handwerker bewundert, das ist ihr Können. Was man an ihnen hingegen gemeinhin weniger schätzt, das ist ihre Termintreue – diese ist, freundlich formuliert, vielfach ausbaubar. Herbert Schwingenschuh kennt dieses Problem: Sind die Auftragsbücher voll, dann müssen Kunden lange Wartezeiten hinnehmen. Er wollte mit seinem 1999 gemeinsam mit seiner Frau gegründeten Unternehmen dieses Paradigma durchbrechen, auch für Maßmöbel für Badezimmer konstante Lieferzeiten als seine USP gewährleisten und so erst recht für seine Kunden im Sanitärgroßhandel attraktiv sein.

Die Idee sei nicht aus der Not geboren worden, sondern dem Servicegedanken geschuldet, sagt der 50-jährige Conform-Chef: „Wie können wir schnell Individualität liefern?“ Die Kunden waren überrascht, dass die versprochenen neun Tage Lieferzeit eingehalten wurden, und dankten es mit Aufträgen. Gut fünf Jahre ist das mittlerweile her.

Um aus der Tischlerei eine „industrielle Manufaktur“ mit mittlerweile rund 80 Mitarbeitern zu machen, die mit dieser Herausforderung und dem Wachstum fertig wird, brauchte es organisatorische Veränderungen. An einer Stelle große Stückzahlen zu schaffen, aber an anderer Stelle überfordert zu sein, stellte sich als sinnlos heraus: „Wir brauchen keine einzelnen Olympiasieger“, sagt er. Schwingenschuh entschied sich für den Weg hin zur vertrauensbasierten Unternehmenskultur und zu neuen Formen der Zusammenarbeit und Kommunikation der zwölf – selbstorganisierten – Teams.

Vertrauen in Belegschaft ist A und O

Das sorgte zunächst für Skepsis. „Die Mitarbeiter“, sagt er, „kannten solche Prozesse nicht, waren am Anfang misstrauisch, wenn Aufgaben übertragen wurden.“ Was er tat: „Kontinuierlich Vertrauen schaffen“, sagt Schwingenschuh. „Auch, wenn etwas nicht passt, vertrauen.“ Denn die Mitarbeiter sollten auf keinen Fall die Lust verlieren. Mehr noch: Seine Vision sei, dass „alle Mitarbeiter bei Conform sich bereits am Sonntagabend auf den Montag freuen“.

Aber dafür reiche es nicht, die Dinge einmal zu erklären. Permanente Kommunikation sei wichtig. Jene der Mitarbeiter untereinander. Nur so könne man gewährleisten, dass es ein „Hab' ich nie gehört“ nicht gebe. Daneben gebe es wöchentliche Teambesprechungen mit den elf Teamsprecher und Schwingenschuh als Marketing-Leiter („Ich spreche immer als Letzter, was nicht immer ganz einfach ist.“) unter wechselnder Moderation. Und alle paar Wochen gebe es eine maximal halbstündige Versammlung aller Mitarbeiter. Auf Zuruf. Am Anfang reagierten die Mitarbeiter zurückhaltend nach dem Motto: Was ist jetzt schon wieder? Mittlerweile wissen sie: Es gibt Information zu den Themen: Was machen wir, wie geht es uns, worauf dürfen wir stolz sein? „Jeder muss wissen, was wir leisten und was wir verantworten“, sagt er.

„Mich fast überflüssig machen“

Zur Person

Auch für ihn brachte die neue Kultur viele Veränderungen. Er musste sich ans Delegieren gewöhnen, gewann aber umgekehrt viele Freiräume. Sein Ziel sei, „mich selbst fast überflüssig zu machen“ und als strategischer Unruhestifter tätig zu sein: Um Strategiepläne im Frühstadium zu erzählen und zum Mitdenken zu motivieren.Herbert Schwingenschuh (50) gründete 1999 gemeinsam mit seiner Frau Silvia Schwingenschuh-Trenker das Tischlereiunternehmen Conform mit Sitz in einer ehemaligen Molkerei in Imst. Es punktet mit dem Versprechen, Bestellungen innerhalb von neun Tagen zu liefern. Schwingenschuh stammt aus einer Tischlerfamilie aus dem oberösterreichischen Nußdorf/Krems, besuchte die HTL für Innenraumgestaltung und Möbelbau in Mödling und kam über berufliche Stationen nach Tirol.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2018)

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