Die dunkle Seite der Innovation

(c) Marin Goleminov
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Führung. „Nichts zu riskieren ist zu riskant“, sagt der Unternehmensberater Jan A. Poczynek und rät Unternehmen, bei allem Innovationsdrang die Organisation im Auge zu behalten.

Der Druck, innovativ zu sein, den Unternehmen erleben, ist groß. Innovationen können aber, so paradox das klingt, von Unternehmen auch selbst aufgefressen werden.

Grundsätzlich gebe es in Unternehmen meist zwei Strömungen, sagt Jan A. Poczynek, Senior-Berater bei osb international: Jene, die im Explore-Modus arbeiten, das Neue suchen, experimentieren, Regeln brechen und Ideen umsetzen möchten. Und jene, die im Exploit-Modus arbeiten, bestehende Produkte und Dienstleistungen managen und optimieren, denen Effizienz, Planung, Qualität und Reproduzierbarkeit wichtig sind.

Klar ist: Hinter den beiden Zugängen stecken unterschiedliche Logiken, die zu Konflikten führen müssen. Zudem neigen die Anhänger beider Gruppen dazu, einander gegenseitig abzuwerten: „Die sind träge und bürokratisch“, sagen die einen über die Exploiter. „Die kosten viel und sitzen in den coolen Büros“, sagen die anderen über die Explorer. Neidisch macht oft auch, dass die Explorer gern auf die Bühne und in die Auslage gestellt werden, um die eigene Innovationsfreude zu zeigen. Selbst wenn es nur eine Form von PR und Innovation ein Lippenbekenntnis ist.

Führungskräfte müssten den Konflikt heben, statt ihn auszufechten, denn „das verbrennt nur Zeit und Energie“, sagt Poczynek. Das erfordere hohe Reife und den Blick auf das Ganze. Andernfalls setze sich meist die Exploit-Logik durch: Auch, weil Bonus- und Zielsysteme selten das Innovationsthemen beinhalten.

Achtung: Kannibalen

Überwiegen die Konflikte, nennt Poczynek das die „dunkle Seite der Innovation“, die sich gern in zwei Punkten manifestiert. Erstens in der Kannibalisierungsgefahr, die jede Idee in sich trägt. Ein Beispiel: Setzt sich die E-Mobilität durch, kannibalisiert sie den Verbrennungsmotor samt aller Industrien und Arbeitsplätze, die damit zusammenhängen. Zweitens die Personaltransformation hin zu technikorientierten Skills – was mit dem bestehenden Personal oft schwer zu schaffen ist.

Um die Gräben zwischen Explorern und Exploitern zu überbrücken, sieht Poczynek vor allem drei probate Ansätze:

Strategie- und Geschäftsmodellentwicklung. Die Vergangenheit hinter sich lassen und gemeinsam „radikal in die Zukunft denken“, sagt Poczynek. Wie könnte die Welt in zehn Jahren aussehen, und welche Notwendigkeiten ergeben sich für das Heute daraus. Und diese Maßnahmen sofort starten.

Effizienzlogik hinterfragen. Unternehmen schraubten ihre Effizienz über Jahre nach oben und haben jetzt oft zu wenig Innovationskraft. Weiter zu sparen, verschärft das nur. Kodak und später Nokia etwa übersahen darüber hinaus Paradigmenwechsel, die sie letztlich ruinierten.

Veränderungsbereitschaft. Es gelte, sagt Poczynek, das Mindset jedes Einzelnen zu ändern: Statt Ego-Systemen seien Eco-Systeme gefragt, also eine Bereitschaft, sich zu vernetzen, ein Bewusstsein für die Gemeinschaft zu investieren, um das eigene (wirtschaftliche) Überleben zu sichern.

Wieder sind die Führungskräfte gefordert: Sie müssen sich persönlich und professionell selbst hinterfragen, ressortübergreifend denken und dürfen Konflikte nicht scheuen. Denn von ihnen hängt ab, ob und wie Explorer und Exploiter zusammenarbeiten können, ob eine Kultur des Innovierens entsteht oder ob die „dunkle Seite“ obsiegt: „Führungskräfte müssen etwas entstehen lassen und zeigen, dass Innovation nützlich ist.“

Natürlich sei es immer riskant und unvorhersehbar, Innovation zu finanzieren. Egal ob die Innovatoren ins Unternehmen eingegliedert sind, in Tochtergesellschaften ausgegliedert werden oder die Zusammenarbeit über Joint Ventures läuft: „Nichts zu riskieren ist für Unternehmen jedenfalls zu riskant“, sagt Poczynek.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2018)

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